Rassistische Parolen von Fußballfans: Einsteigen, rumhetzen, aussteigen

Fans von Hansa Rostock machten diskriminierende Durchsagen in einem Zug. Niemand habe eingegriffen, berichtet eine Mitreisende.

Hansa Rostock-Fans verlassen einen Zug

Für die Bundespolizei keine „größere Störung“: Schon 2023 zündeten Rostocker Fans im Hamburger Hauptbahnhof Pyrotechnik Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Fans des Fußball-Zweitligisten Hansa Rostock haben sich in einem Regionalzug am vergangenen Sonntag Zugang zum Abteil des Zugbegleiters verschafft – und dann laut Zeu­g*in­nen­aus­sa­gen 20 bis 30 Minuten lang rassistische und sexistische Parolen durchgesagt. Die Fans waren auf der Rückreise von einem Auswärtsspiel in Hannover, das Hansa mit 1:2 verloren hatte.

Das Zugpersonal meldete den Vorfall nicht der Bundespolizei, sodass die Randalierer ihre knapp zweistündige Zugreise nach Rostock beenden konnten, ohne dort von der Polizei in Empfang genommen zu werden. Erst durch zwei Meldungen von Bür­ge­r*in­nen hat die Bundespolizei nun einige Tage später Ermittlungen aufgenommen, bestätigt Frank Schmoll, Sprecher der Bundespolizei Rostock, der taz.

Eine von ihnen ist Sandra Kramer. Sie will anonym bleiben, ihr echter Name ist der Redaktion bekannt, Dokumente, die ihre Mitfahrt bestätigen, liegen der taz vor.

Am vergangenen Sonntag nahm Kramer den Regionalzug RE 4317 um 18.21 Uhr in Hamburg. Am Bahnhof Büchen wartete der Zug auf Anschlussreisende, unter denen auch eine Gruppe Jugendlicher war, die zum Teil Fanschals von Hansa Rostock trugen. „Sie hatten Bierflaschen in der Hand, wirkten stark alkoholisiert und grölten herum“, erzählt Kramer.

Rassistische Durchsagen

Sie selbst saß in einem Abteil, das bereits voll war. Eine Gruppe von etwa zehn Männern ging an ihr vorbei. Über den Zug verteilt seien es deutlich mehr Fans gewesen. Zunächst seien die Männer laut gewesen und hätten auch mit den Füßen getrampelt, sodass der Zug stark gewackelt habe. „Es war definitiv belästigend“, sagt Kramer.

Dann verschaffte sich ein Teil der Gruppe Zugang zum Büro der Zug­be­glei­te­r*in­nen, das hat Kramer jedoch nicht selbst gesehen. Über die Anlage hätten die Jugendlichen dann zunächst durchgesagt, dass der nächste Halt Rostock sei, und hätten darüber gelacht sowie Musik abgespielt. Einige Fahrgäste in Kramers Abteil hätten das unterhaltsam gefunden, sagt Kramer. Dann sei allerdings die Aufforderung gefolgt, dass „die süße Blonde aus Wagen 6 zu ihnen kommen“ solle, der Spruch „Wessis raus“ sowie Beleidigungen wie „Missgeburt“.

Um die zehn Mal sei die rassistische Aussage „Ausländer raus“ skandiert worden. Kramer habe Angst gehabt, erzählt sie. Sie kritisiert, dass das Zugpersonal nichts unternommen habe, um die Jugendlichen zu stoppen. Lediglich der Triebwerksführer habe zwischendurch die Durchsage gemacht „Jetzt macht mal eure Playstation aus“ – erfolglos. Die Bundespolizei bestätigt diesen Versuch, das Treiben zu stoppen.

Kramer beklagt auch einen Mangel an Zivilcourage, weil weder das Zugpersonal noch Mitreisende eingeschritten seien. In ihrem Abteil hätten sich Fahrgäste über die Durchsagen amüsiert. Empörung habe es kaum gegeben. Nur eine Frau habe die Ausschreitungen verurteilt.

Polizei begleitete Fans nicht

Als Kramer in Schwerin den Zug verließ, um umzusteigen, habe sie am Informationsschalter der Deutschen Bahn eine Panikattacke bekommen und sich sehr allein gelassen gefühlt. „Ich habe den Zug verlassen und dachte, niemand wird davon erfahren“, sagt sie. Am Tag darauf blieb sie zu Hause, sprach mit einer Mitarbeiterin der Deutschen Bahn, schrieb dem Verein Hansa Rostock, der Bundespolizei sowie der Antirassismusbeauftragten der Bundesregierung eine E-Mail über den Vorfall. „Es kann einfach nicht sein, dass so etwas mittlerweile Normalität ist“, sagt Kramer.

Bundespolizeisprecher Frank Schmoll sagt, man werde nun auf die Zug­be­glei­te­r*in­nen zugehen, um deren Aussagen im Rahmen der Ermittlungen aufzunehmen. Wie es allerdings dazu kommen konnte, dass die Fans ohne Polizeibegleitung in Büchen einstiegen, ist unklar.

In einer Mitteilung schrieb die Bundespolizei am Sonntag, dass mehr als 250 Po­li­zis­t*in­nen wegen des Spiels in Hannover im Einsatz waren. Bei der Anreise der Fans aus Rostock hätten diese Pyrotechnik im Hauptbahnhof Hannover abgebrannt, was die Bundespolizei aber nicht als „größere Störung“ betrachtete. Die Rückreise sei „im bahnpolizeilichen Bereich unter bundespolizeilichen Lenkungsmaßnahmen ruhig und störungsfrei“ verlaufen, meldete die Polizei am Sonntag kurz nach 18 Uhr – also eine Stunde, bevor die Fans in das Zugbegleiterbüro des RE 4317 eindrangen.

Martin Kröger, Einsatzleiter der Bundespolizei, freute sich zu diesem Zeitpunkt in der Pressemitteilung bereits über „das überwiegend störungsfreie Fanverhalten“.Die Polizeitaktik sei aufgegangen. Dazu gehörte wohl auch, die Fans ab Abreise aus Hannover aus den Augen zu lassen.

Berüchtigte Rostocker Fanszene

Dabei fällt die Fanszene des Rostocker Vereins immer wieder mit klar rechtsradikalen und gewalttätigen Aktionen auf. So hatten 150 gewalttätige Fans bei einem Auswärtsspiel in Paderborn im Dezember unter anderem acht Ordnungskräfte im Stadion verletzt, auch ein Zuschauer wurde schwer am Kopf verletzt.

„Die Zusammenarbeit mit Sicherheitskräften der DB AG verlief sehr gut“, schrieb die Bundespolizei. Warum sich die DB-Mitarbeitenden nicht sofort bei der Polizei gemeldet hatten, kann der Rostocker Polizeisprecher Schmoll nicht sagen, und verweist auf die Bahn.

Eine Sprecherin der Deutschen Bahn bestätigt den Vorfall, will sich aber nicht weiter dazu äußern. Fragen zu dem Verhalten der Zug­be­glei­te­r*in­nen beantwortete das Unternehmen ebenso wenig wie die Frage, ob Zug­be­glei­te­r*in­nen verpflichtet sind, strafrechtlich relevante Aussagen der Polizei zu melden.

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