Rechtsgutachten und Wahl in Polen: Neue Hoffnung für die Oder

Polens Vertrag mit Deutschland über den Flussausbau muss neu verhandelt werden, so ein Gutachten. Eine neue Regierung in Warschau könnte helfen.

Bagger und Schiffe auf einem Fluss.

Ausbauarbeiten auf der polnischen Seite des Grenzflusses Oder im März 2023 Foto: Patrick Pleul/dpa

BERLIN taz | Wie geht es nach der Wahl in Polen mit dem Ausbau der Oder weiter? Anfang Oktober hatte die Weltbank ihre Kredite zurückgezogen, mit der Begründung, der Ausbau des polnisch-deutschen Grenzflusses könnte die Umwelt gefährden. Es geht allein aus dieser Quelle um 460 Millionen Euro: Zuvor hatte Polens oberstes Verwaltungsgericht SAC im März mit eben dieser Begründung das „Odra Vistula Flood Protection Project“ gestoppt, das Hochwasserschutzprojekt an Oder und Weichsel. Das Gericht reagierte damit auch auf das große Fischsterben im Jahr 2022.

Nach dem Urteil hatte im Juni bereits die Entwicklungsbank des Europarats CEB ihre Finanzierung gestoppt. Und jetzt könnte Herausforderer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerkoalition (KO) vielleicht doch neuer Regierungschef Polens werden: Mit Koalitionspartnern wie dem sozialdemokratischen Lewiza-Bündnis ist rechnerisch eine Regierungsmehrheit möglich. Lewiza spricht sich gegen die Flussbaupläne aus und hat in ihrem Programm im unteren Bereich des Flusses einen grenzübergreifenden Auen-Nationalpark mit Deutschland angekündigt.

Ufer befestigen, Buhnen in die Oder zu bauen, so die Wassertiefe zu erhöhen, um die Oder zu einer planbaren Schifffahrtsstraße zu machen – diese Pläne verfolgt die in Warschau seit acht Jahren regierende Partei Recht und Gerechtigkeit PiS. Grundlage ist der deutsch-polnische Regierungsvertrag aus dem Jahr 2015: Bundesverkehrsminister war damals Alexander Dobrindt (CSU). „Das Abkommen ist nur auf einen kleinen Bereich der Oder zugeschnitten“, sagt Rechtsanwalt Eric Weiser-Saulin, dessen Kanzlei im Auftrag der Bündnisgrünen ein Rechtsgutachten erstellt hat. Ergebnis: Erstens wird von polnischer Seite massiv gegen das Regierungsabkommen verstoßen. Zweitens sind Aspekte wie der Klimawandel oder das Fischsterben nicht vom Vertrag berücksichtigt.

„Die Oder braucht Ruhe“

„Trotz des gerichtlichen Baustopps arbeiten die Bagger weiter“, sagt die Brandenburger Landtagsabgeordnete Sahra Damus. Zudem habe das Rechtsgutachten ergeben, dass gegen europäisches Recht verstoßen wird, etwa die Wasserrahmenrichtlinie. „Bundesverkehrsminister Volker Wissing muss reagieren und auf polnischer Seite diese Vertragsverletzung klar benennen“, so Damus. Der FDP-Politiker aber ducke sich weg.

„Die Oder braucht Ruhe, was dieses getroffene Ökosystem nicht gebrauchen kann, sind weitere Baumaßnahmen, deren Umweltverträglichkeit nicht ausreichend geprüft wurde“, erklärt Jan Niclas Gesenhues, umweltpolitischer Sprecher im Bundestag. Der Verkehrsminister solle mit seinem polnischen Kollegen den Regierungsvertrag nachverhandeln, was nach Paragraf 16 explizit möglich sei, so Gesenhues: „Die Verantwortung liegt bei Herrn Wissing.“

Die Kanzlei hatte bereits vor anderthalb Jahren ein Gutachten im Auftrag der Bündnisgrünen abgegeben: Demnach sei der Oder-Ausbau „mit dem europäischen Artenschutzregime nicht vereinbar“, hieß es darin. Auswirkungen auf den polnischen Buhnenbau hatte das aber nicht.

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