piwik no script img

Reform des BürgergeldsNeuer Name, neue Schikanen und wenig Einsparpotential

Arbeitsministerin Bärbel Bas legt regierungsintern einen ersten Gesetzentwurf zum Bürgergeld vor. Sanktionen sollen künftig verschärft werden.

Nach dem Koalitionsausschuss im Kanzleramt: Friedrich Merz (CDU) und Bärbel Bas (SPD), Berlin, am 9.10.2025 Foto: Stefan Boness/Ipon
Jasmin Kalarickal

Von

Jasmin Kalarickal aus Berlin

Schon im Wahlkampf hat Friedrich Merz (CDU) gerne Stimmung gegen das Bürgergeld gemacht. Immer wieder haben er und Parteikollegen behauptet, es ließen sich dort mit härteren Strafen Milliarden einsparen, auch nach Regierungsantritt. Nur die Erklärung, wie genau das funktionieren soll, wurde nie mitgeliefert.

Selbst wenn sich die inzwischen zuständige Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) gelegentlich einschaltet und widerspricht – Merz zeigt sich in dieser Frage beratungsresistent. Denn Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen bleiben im medialen Diskurs eines seiner Lieblingsopfer. Zuletzt war das im Sommerinterview zu beobachten, als er den Eindruck erweckte, sie würden zuhauf in staatlich finanzierten Luxuswohnungen leben.

Am Freitag hat Bas nun regierungsintern einen ersten Gesetzentwurf zum Bürgergeld vorgelegt, in die sogenannte Frühkoordinierung mit dem Kanzleramt. Auf dieser Ebene wird noch abgestimmt, bevor der Entwurf dann an alle Ministerien verschickt und die Anhörung von Verbänden eingeleitet wird. Doch offenbar wurde der Entwurf an verschiedene Medien durchgestochen, die Bild und die Süddeutsche Zeitung berichteten daraus.

Demnach sind im Kern schnellere und härtere Strafen vorgesehen, aber erwartungsgemäß nur wenig Einspareffekte zu erwarten. Laut Süddeutscher Zeitung werden Einsparungen von 86 Millionen Euro im Jahr 2026 erwartet, 2027 dann 69 Millionen. Ab 2028 und 2029 wird sogar mit leichten Mehrausgaben gerechnet, zunächst zehn Millionen Euro, dann neun Millionen.

„Allein aufgrund der Maßnahmen des Gesetzentwurfes ergeben sich keine nennenswerten Einsparungen“ hieß es auch aus Ministeriumskreisen gegenüber der taz. Bessere Effekte würden nur durch eine bessere Wirtschaftslage und „verbesserte Arbeitsmarktintegration und eine Reduzierung der Leistungsberechtigten eintreten“.

Job vor Weiterbildung

Fest steht: Das Bürgergeldsystem soll künftig einen neuen Namen bekommen. Die „Neue Grundsicherung“ will „auf mehr Mitwirkung und spürbare Konsequenzen bei Nicht-Mitwirkung“ setzen, hieß es weiter aus Ministeriumskreisen.

Der sogenannte Vermittlungsvorrang soll wieder gelten. Es soll also wieder die Pflicht werden, in erster Linie einen Job anzunehmen. Dabei galt es als eine große Errungenschaft des Bürgergelds, dass der Vermittlungsvorrang abgeschafft und stärker auf Weiterbildung gesetzt wurde, um Menschen nachhaltiger und langfristiger in Arbeit zu vermitteln.

In der Praxis werden Menschen sonst oft in saisonale und schlecht bezahlte Jobs gedrängt und landen nach einer Zeit wieder in der Grundsicherung. In der Fachwelt spricht man vom „Drehtüreffekt“. „Das Ziel der nachhaltigen Integration, vor allem mittels Weiterbildung und Qualifizierung“, solle aber keineswegs aufgegeben werden, hieß es aus dem Ministerium.

Schnellere und härtere Sanktionen

Bei Pflichtverletzungen, zum Beispiel wenn eine Person eine zumutbare Arbeit ablehnt oder wenn sie eine Fördermaßnahme abbricht, sollen die Leistungen direkt um 30 Prozent für bis zu drei Monate gemindert werden können. Dies wären derzeit rund 150 Euro weniger im Monat. Erst am Freitag kam eine Studie des Paritätischen Gesamtverbands zum Ergebnis, dass das Bürgergeld für viele nur das „nackte Überleben“ abdeckt, oft fehle Geld für die Reparatur kaputter Möbel oder gesundes Essen.

Auch Terminversäumnisse sollen stärker bestraft werden als bisher. Menschen mit psychischen Erkrankungen sollen aber geschützt werden. Der Gesetzentwurf sehe vor, „dass auf einen einmalig verpassten Termin noch keine Leistungsminderung folgt“, heißt es aus Kreisen des Ministeriums. Ab dem zweiten Meldeversäumnis solle aber eine spürbare Minderung von wiederum 30 Prozent für einen Monat greifen. Kommt jemand mehrfach ohne Grund nicht, soll ein zweistufiges Verfahren greifen.

Werden drei Termine verpasst, werde der Regelbedarf „vorerst nicht geleistet“ und Mietzahlungen gingen direkt an den Vermieter. Melde sich die Person dann nicht innerhalb eines Monats beim Jobcenter, solle der Leistungsanspruch ganz entfallen. Hier soll zumindest gelten, dass die Kosten der Unterkunft für die übrigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, also zum Beispiel Kinder oder Partner*in, weitergezahlt werden. Die Kürzung von Wohnkosten ist generell höchst umstritten und es ist unklar, ob eine solche Regelung überhaupt verfassungskonform ist.

Kosten der Unterkunft

Neuerungen bei den Kosten der Unterkunft gibt es bei der einjährigen Karenzzeit. Bislang werden Mietkosten im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs vollständig übernommen, damit sich die Menschen auf die Jobsuche konzentrieren können statt um einen Umzug in eine günstigere Wohnung. Künftig sollen die Mietkosten in der Karenzzeit aber gedeckelt werden. Der „Deckel“ betrage dann „das Anderthalbfache der abstrakten (allgemeinen) Angemessenheitsgrenze.“

Auch sollen überteuerte Mieten nicht mehr einfach hingenommen werden. Verstößt die Miethöhe gegen die Mietpreisbremse, sollen Jobcenter künftig eine sogenannte Kostensenkungsaufforderung verschicken und Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen sollen Ver­mie­te­r*in­nen auffordern, die Miete entsprechend zu senken. Kommunen erhalten zudem die Möglichkeit, eine Quadratmeterhöchstmiete festzulegen. Das soll helfen, gegen Mietwucher bei sogenannten Schrottimmobilien vorzugehen.

Vermögen wird weniger geschont

Die einjährige Karenzzeit, in der höhere Vermögen akzeptiert werden, soll abgeschafft werden. Künftig soll sich die Höhe am Lebensalter orientieren. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass Freibeträge gelten sollen: „bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres 5.000 Euro, ab dem 21. Lebensjahr 10.000 Euro, ab dem 41. Lebensjahr 12.500 Euro und ab dem 51. Lebensjahr 15.000 Euro.“

Auch Elternteile sollen stärker in die Pflicht genommen werden. Wenn die Kinderbetreuung gesichert ist, soll es für Erziehende nach dem ersten Lebensjahr des Kindes als zumutbar gelten, einen Job oder einen Sprachkurs zu beginnen. Bisher gilt das ab dem dritten Lebensjahr.

Scharfe Kritik

Der grüne Bundestagsabgeordnete Timon Dzienus kritisierte das Vorhaben der Bundesregierung scharf. „Friedrich Merz lügt seit Monaten zu den Einsparmöglichkeiten beim Bürgergeld. Monatelang mussten wir uns in allen Talkshows dieses Landes Unsinn von der Union anhören“, sagte er. „Dieser Sanktionsfetischismus ist schlecht für die Menschen und bringt dem Haushalt praktisch gar nichts.“ Merz erpresse Menschen, „Jobs mit schlechten Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.“

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) klang wenig begeistert. „Das, was wir bisher wissen, klingt nicht nach großen Erfolgen, dafür aber nach vielen Verlierern“, kommentierte Vorstandsmitglied Anja Piel. Das neue Sanktionsregime schaffe „Angst, mehr Bürokratie, aber keine neuen Jobs.“

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • taz: *Reform des Bürgergelds - Neuer Name, neue Schikanen und wenig Einsparpotential*

    Es geht nicht um eine Reform des Bürgergelds, sondern um eine "Reform" des Arbeitsmarkts. Es ging ja auch damals nie um die Hartz IV Bezieher, sondern in Wahrheit ging/geht es immer nur um die Arbeitnehmer, denn wenn man Hartz4/Bürgergeldbezieher schlecht behandelt, dann wird der kleine Arbeitnehmer es sich nicht wagen eine Lohnerhöhung oder bessere Arbeitsbedingungen zu fordern.

    Die Vermögenssteuer ist ja auch schon des Öfteren in der taz angesprochen worden, aber weder CDU/CSU und auch die 'immer noch existierende Schröder-SPD' möchten den Reichen ans Portemonnaie. Die wahren Schmarotzer wohnen nämlich in riesigen Villen, beuten laufend kleine Arbeitnehmer aus, erhöhen frech das klimaschädliche CO2 mit ihrer Gier und sind natürlich darüber hinaus auch noch sehr große Fans von CDU-Fritz, der ja bekanntlich ein großes Herz für solche reichen "Leistungsträger" hat.

    Die SPD hatte in der Ampel ihre Chance wieder eine soziale Partei zu werden, aber sie hat sich da nur von der FDP an der Nase herumführen lassen; und will jetzt sogar mit BlackRock-Merz den Sozialstaat komplett in die Tonne treten.

  • Für csDU ist das ein klassischer Fall: die Schwächsten werden belastet, gerne wird auch gegen sie populistisch bis hin zu extremistisch gehetzt. Das war bei diesen Parteien schon lange so und wird sich angesichts der Anschleimung an die AgD eher noch verschärfen. Man beschützt sein Stammklientel vor höheren Abgaben und verzichtet auf erhebliche Einnahmen, die allen zugute kommen - nichts Neues also. Und die sPD? Die sind zu feige und zu sehr auf ihre Pöstchen bedacht - da kann man nix erwarten, gar nix...

  • Populismus!



    Das ist Alles, was Merz kann.



    Schon in der Ampelzeit und bereits mehrfach von der SPD und der Arbeitsministerin bekräftigt, ist die Gruppe der "Verweigerer" klein und das Einsparpotential dementsprechend gering.



    Das Bürgergeld abzuschaffen ist ein Ziel der CDU gewesen .



    Die Namensänderung ist das geringste Problem. Ansonsten ändert sich wenig.



    Der Arbeitsmarkt allerdings schon.



    Mittlerweile werden auch qualifizierte ArbeitnehmerInnen entlassen und es gilt, diese schnell wieder zu vermitteln.



    Damit wird nicht nur die Qualifikation, sondern auch deren Wirtschaftskraft erhalten.



    Wie Bas betont, ist die Hauptaufgabe, Menschen in Arbeit zu bringen.



    Es wäre sinnstiftend, wenn die Wirtschaftsministerin derartige Pläne nicht ausbremst, indem sie wachsende Sparten, wie die regenerativen Energien, torpediert.

    • @Philippo1000:

      "Es wäre sinnstiftend, wenn die Wirtschaftsministerin derartige Pläne nicht ausbremst, indem sie wachsende Sparten, wie die regenerativen Energien, torpediert."

      "Fehlende Fachkräfte gefährden die Energiewende"  vermeldete die Industrie und Handelskammer. Die Arbeit ist da und um die Klimawende zu stemmen müssen die Stellen auch besetzt werde.

      ( www.dihk.de/de/akt...ergiewende--124384 8

    • @Philippo1000:

      Sehr treffender Kommentar. Danke dafür!

  • Wie so Braucht Deutschland über 500 verschiedene Sozialleistungen ( www.ifo.de/pressem...tungen-deutschland ) ??



    Es sind nicht die Totalverweigerer die das Geld kosten, es ist die Verwaltung dieses Bürokratiemonsters. Jeder weis das der Fisch vom Kopf her zu stinken beginnt, außer natürlich die verantwortlichen Politiker !!

  • Die Unionsparteien hatten ja Milliarden Einsparungen vorausgesagt, Die ganze Rechnung scheint ihr aber peinlich zu sein.



    Jedenfalls war es kein Widerspruch zu den jetzt veröffentlichten spärlichen Ergebnissen.



    Schon bei Hartz IV blieb das größte Einsparpotential bis heute unerwähnt. Dabei ist die Formel ganz einfach: Druck erhöhen=Stress erhöhen=gleich krank machen=früher sterben. Schon bei Hartz IV wollte niemand öffentlich sagen, ob und wie hoch Einsparungen, bei Renten, Kranken-und Sozialausgaben durch diese "Kollateralschäden" wirklich waren. Es müssten Billionen gewesen sein.



    Also, liebe Koalitionsparteien, es ist ganz einfach: je mehr Druck, desto größer wird das Einsparpotential!

  • Real Life Comedy ;-)



    Bei 83 oder 84 Mio Einwohnern, spart das ja grade mal nen Euro pro Bürger pro Jahr. Einer der besten polit witze des Jahres.

    Angebot: Ich geb Merz meinen Euro freiwillig. Dann müssen die sich zumindest wegen mir nicht monatelang um nen Euro streiten. Das kann ich mir grad noch so leisten. Und ich rege mich auch nicht drüber auf, wenn den jemand kriegt der ihn braucht.

  • In den ersten Minuten seiner Rede vor dem Bundestag umreißt Merz sein Programm sozialdarwinistischer Friedensmacht. Die wird nicht dadurch besser, dass er ein starkes Deutschland als Teil eines starken Europas sieht, denn die Betonung liegt auf MACHT. Deutschland solle militärisch und wirtschaftlich so mächtig sein, dass es nicht zum durch andere Mächte Getriebenen werden kann, sondern die Weltordnung nach eigenen/seinen Vorstellungen gestaltet. Dem müsse sich jeder und alles unterordnen, auch das Bürgergeld.

    Die Grünen beklagen, angesichts der Bedrohungslage, den Streit in der Koalition und die Verwirrung junger Menschen, die sich verantwortungsvoll für den Wehrdienst entscheiden.

    Die USA, die BRICS und andere Drittstaaten werden da nicht einfach mitspielen. So bleibt kaum Hoffnung auf friedliche Koexistenz, int’l Kooperation und eine nachhaltige Weltfriedensordnung.

    Dem ehemals linken Zeitungsprojekt rutscht das alles durch. Zuviel Star Wars geguckt. Möge die macht mit uns sein!

    • @DemokratischeZelleEins:

      Sozialdarwinismus klingt durch alle Reden von Merz durch, ob das "neue Grundsicherung" ist oder "neuer Krieg" gegen Russland.

      "Neu" ist an der aktuellen Politik des Sozialabbaus und Kriegstüchtigkeit gar nichts. Alles daran ist alt, auch der Kanzler und seine reaktionäre Partei CDU.

  • Die meisten Weiterbildungsmaßnahmen waren absoluter Schwachsinn, das wissen wir alle. Genauso ist es richtig und wichtig, Mitwirkung einzufordern oder Wuchermieten nicht mehr zu zahlen. Die Kritik der Opposition hört sich zwanghaft an.

    • @Yannis Pappas:

      Das trifft auf viele Maßnahmen zu, tendenziell ging der Trend aber eher zu Umschulungen in Bereiche, die Personal suchen.

    • @Yannis Pappas:

      Einfach umziehen, ist doch kein Problem und Neumieten sowieso günstiger. Das kommt eben raus, wenn ein Mittelstandsmillionär mit Privatflugzeug seit 30 Jahren Kanzler werden will. Er macht, was er vor 30 Jahren mal auf dem Bierdeckel hatte.

    • @Yannis Pappas:

      An wen geht denn das Geld für die Wuchermieten? Ach ja, das sind ja gar nicht die Bürgergeldempfänger, ansonsten wären die ja binnen kürzester Zeit steinreich.

    • @Yannis Pappas:

      Nun werden also wieder 30 Bewerbungen pro Monat nachgewiesen, denn die Faulpelze wollen ja bloß nicht arbeiten. Hilft gegen Bürokratie und dem Aufschwung sowieso.



      6 Mrd. 5. Gut 1 Mrd. Vielleicht. Oder doch nur 100 Mio.

    • @Yannis Pappas:

      Ihr veraltetes wissen dürfte wohl vor allem auf das Hartz 4 System abzielen.



      Im BG wurden ja gerade auch sinnvollere langwierigere Ausbildungsmaßnahmen finanziert. Vermutlich gab es da auch noch die Beschäftigungsmaßnahmen für die ganz harten Fälle, aber eben auch sehr sinnvolle und erfolgreiche Umschulungen, Berufsausbildungen, Weiterbildungen,...