Reform des Bürgergelds: Neuer Name, neue Schikanen und wenig Einsparpotential
Arbeitsministerin Bärbel Bas legt regierungsintern einen ersten Gesetzentwurf zum Bürgergeld vor. Sanktionen sollen künftig verschärft werden.

Schon im Wahlkampf hat Friedrich Merz (CDU) gerne Stimmung gegen das Bürgergeld gemacht. Immer wieder haben er und Parteikollegen behauptet, es ließen sich dort mit härteren Strafen Milliarden einsparen, auch nach Regierungsantritt. Nur die Erklärung, wie genau das funktionieren soll, wurde nie mitgeliefert.
Selbst wenn sich die inzwischen zuständige Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) gelegentlich einschaltet und widerspricht – Merz zeigt sich in dieser Frage beratungsresistent. Denn Bürgergeldempfänger*innen bleiben im medialen Diskurs eines seiner Lieblingsopfer. Zuletzt war das im Sommerinterview zu beobachten, als er den Eindruck erweckte, sie würden zuhauf in staatlich finanzierten Luxuswohnungen leben.
Am Freitag hat Bas nun regierungsintern einen ersten Gesetzentwurf zum Bürgergeld vorgelegt, in die sogenannte Frühkoordinierung mit dem Kanzleramt. Auf dieser Ebene wird noch abgestimmt, bevor der Entwurf dann an alle Ministerien verschickt und die Anhörung von Verbänden eingeleitet wird. Doch offenbar wurde der Entwurf an verschiedene Medien durchgestochen, die Bild und die Süddeutsche Zeitung berichteten daraus.
Demnach sind im Kern schnellere und härtere Strafen vorgesehen, aber erwartungsgemäß nur wenig Einspareffekte zu erwarten. Laut Süddeutscher Zeitung werden Einsparungen von 86 Millionen Euro im Jahr 2026 erwartet, 2027 dann 69 Millionen. Ab 2028 und 2029 wird sogar mit leichten Mehrausgaben gerechnet, zunächst zehn Millionen Euro, dann neun Millionen.
„Allein aufgrund der Maßnahmen des Gesetzentwurfes ergeben sich keine nennenswerten Einsparungen“ hieß es auch aus Ministeriumskreisen gegenüber der taz. Bessere Effekte würden nur durch eine bessere Wirtschaftslage und „verbesserte Arbeitsmarktintegration und eine Reduzierung der Leistungsberechtigten eintreten“.
Job vor Weiterbildung
Fest steht: Das Bürgergeldsystem soll künftig einen neuen Namen bekommen. Die „Neue Grundsicherung“ will „auf mehr Mitwirkung und spürbare Konsequenzen bei Nicht-Mitwirkung“ setzen, hieß es weiter aus Ministeriumskreisen.
Der sogenannte Vermittlungsvorrang soll wieder gelten. Es soll also wieder die Pflicht werden, in erster Linie einen Job anzunehmen. Dabei galt es als eine große Errungenschaft des Bürgergelds, dass der Vermittlungsvorrang abgeschafft und stärker auf Weiterbildung gesetzt wurde, um Menschen nachhaltiger und langfristiger in Arbeit zu vermitteln.
In der Praxis werden Menschen sonst oft in saisonale und schlecht bezahlte Jobs gedrängt und landen nach einer Zeit wieder in der Grundsicherung. In der Fachwelt spricht man vom „Drehtüreffekt“. „Das Ziel der nachhaltigen Integration, vor allem mittels Weiterbildung und Qualifizierung“, solle aber keineswegs aufgegeben werden, hieß es aus dem Ministerium.
Schnellere und härtere Sanktionen
Bei Pflichtverletzungen, zum Beispiel wenn eine Person eine zumutbare Arbeit ablehnt oder wenn sie eine Fördermaßnahme abbricht, sollen die Leistungen direkt um 30 Prozent für bis zu drei Monate gemindert werden können. Dies wären derzeit rund 150 Euro weniger im Monat. Erst am Freitag kam eine Studie des Paritätischen Gesamtverbands zum Ergebnis, dass das Bürgergeld für viele nur das „nackte Überleben“ abdeckt, oft fehle Geld für die Reparatur kaputter Möbel oder gesundes Essen.
Auch Terminversäumnisse sollen stärker bestraft werden als bisher. Menschen mit psychischen Erkrankungen sollen aber geschützt werden. Der Gesetzentwurf sehe vor, „dass auf einen einmalig verpassten Termin noch keine Leistungsminderung folgt“, heißt es aus Kreisen des Ministeriums. Ab dem zweiten Meldeversäumnis solle aber eine spürbare Minderung von wiederum 30 Prozent für einen Monat greifen. Kommt jemand mehrfach ohne Grund nicht, soll ein zweistufiges Verfahren greifen.
Werden drei Termine verpasst, werde der Regelbedarf „vorerst nicht geleistet“ und Mietzahlungen gingen direkt an den Vermieter. Melde sich die Person dann nicht innerhalb eines Monats beim Jobcenter, solle der Leistungsanspruch ganz entfallen. Hier soll zumindest gelten, dass die Kosten der Unterkunft für die übrigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, also zum Beispiel Kinder oder Partner*in, weitergezahlt werden. Die Kürzung von Wohnkosten ist generell höchst umstritten und es ist unklar, ob eine solche Regelung überhaupt verfassungskonform ist.
Kosten der Unterkunft
Neuerungen bei den Kosten der Unterkunft gibt es bei der einjährigen Karenzzeit. Bislang werden Mietkosten im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs vollständig übernommen, damit sich die Menschen auf die Jobsuche konzentrieren können statt um einen Umzug in eine günstigere Wohnung. Künftig sollen die Mietkosten in der Karenzzeit aber gedeckelt werden. Der „Deckel“ betrage dann „das Anderthalbfache der abstrakten (allgemeinen) Angemessenheitsgrenze.“
Auch sollen überteuerte Mieten nicht mehr einfach hingenommen werden. Verstößt die Miethöhe gegen die Mietpreisbremse, sollen Jobcenter künftig eine sogenannte Kostensenkungsaufforderung verschicken und Bürgergeldempfänger*innen sollen Vermieter*innen auffordern, die Miete entsprechend zu senken. Kommunen erhalten zudem die Möglichkeit, eine Quadratmeterhöchstmiete festzulegen. Das soll helfen, gegen Mietwucher bei sogenannten Schrottimmobilien vorzugehen.
Vermögen wird weniger geschont
Die einjährige Karenzzeit, in der höhere Vermögen akzeptiert werden, soll abgeschafft werden. Künftig soll sich die Höhe am Lebensalter orientieren. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass Freibeträge gelten sollen: „bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres 5.000 Euro, ab dem 21. Lebensjahr 10.000 Euro, ab dem 41. Lebensjahr 12.500 Euro und ab dem 51. Lebensjahr 15.000 Euro.“
Auch Elternteile sollen stärker in die Pflicht genommen werden. Wenn die Kinderbetreuung gesichert ist, soll es für Erziehende nach dem ersten Lebensjahr des Kindes als zumutbar gelten, einen Job oder einen Sprachkurs zu beginnen. Bisher gilt das ab dem dritten Lebensjahr.
Scharfe Kritik
Der grüne Bundestagsabgeordnete Timon Dzienus kritisierte das Vorhaben der Bundesregierung scharf. „Friedrich Merz lügt seit Monaten zu den Einsparmöglichkeiten beim Bürgergeld. Monatelang mussten wir uns in allen Talkshows dieses Landes Unsinn von der Union anhören“, sagte er. „Dieser Sanktionsfetischismus ist schlecht für die Menschen und bringt dem Haushalt praktisch gar nichts.“ Merz erpresse Menschen, „Jobs mit schlechten Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.“
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) klang wenig begeistert. „Das, was wir bisher wissen, klingt nicht nach großen Erfolgen, dafür aber nach vielen Verlierern“, kommentierte Vorstandsmitglied Anja Piel. Das neue Sanktionsregime schaffe „Angst, mehr Bürokratie, aber keine neuen Jobs.“
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