Regatta auf hoher See: Über den Atlantik Rum-segeln

In Saint-Malo beginnt am Sonntag die Route du Rhum – die weltgrößte Solo-Regatta. Boris Herrmann tritt mit neuem Boot an.

mehrere Segelboote mit Fahnen an den Masten in blauem Licht

Abendliche Parade der Boote vor dem Start der Route de Rhum in Saint-Malo Foto: Panoramic/imago

„Es wird eine Feuertaufe und dann eine Barfußroute in einem Rennen“, erwartet Deutschlands bekanntester Hochseesegler Boris Herrmann. „Also erst der stürmische Nordatlantik und dann warme Passatwinde.“ Der Wetterbericht sage erst drei Stürme in kurzer Folge mit bis zu 10 Meter hohen Wellen vorher, gegen die angekreuzt werden müsse. Der 41-Jährige startet am Sonntag erstmals wieder allein zu einer Hochseeregatta, nachdem er vor zwei Jahren mit seinem 5. Platz bei der Weltregatta Vendée Globe in die Herzen des Publikums segelte. Jetzt nutzt er die Regatta Route du Rhum („Rumrennen“), um sich mit seinem neuen Boot vertrauter zu machen.

Der Fachdienst segelreporter.com spricht von einer „Rhum der Superlative“: Eine Rekordzahl von 134 Skip­pe­r*in­nen im Alter von 20 bis 69 Jahren wollen ab Sonntag 13.02 Uhr solo um die Wette in die Karibik rasen. Sie sind seit dem 25. Oktober mit ihren Yachten im bretonischen Hafen Saint-Malo versammelt. Sponsoren und Rennställe haben ihn in ein großes Race Village verwandelt. Die Atmosphäre dort sei wie der „Ausnahmezustand einer Großdemonstration“, sagte Herrmann am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

Eine Million Fans werden sich bis zum Start die Rennyachten aus sechs verschiedenen Klassen – vier für Profis, zwei für Amateure – angeschaut haben. An der Hafenschleuse kann den Rennern von einer Tribüne aus beim Auslaufen zugeschaut werden. Hunderte Begleitboote werden sie zum Start eskortieren. Am Ufer werden Hunderttausende Fans zuschauen, Millionen das nur alle vier Jahre ausgetragene Rennen im TV verfolgen, eines der größten Sportevents Frankreichs.

Die 3.542 Seemeilen (6.560 Kilometer) lange Regatta entlang traditioneller Handelsrouten in die Karibik werden die schnellsten Trimarane der Utim-Klasse, also 32 Meter lange und 23 Meter breite dreirümpfige Geschosse mit Tragflächen, schon eine Woche später im Ziel im Überseedepartement Guadeloupe beenden. Der Streckenrekord für die zweitschnellste Klasse der 37 gemeldeten Imocas, also 18 Meter lange inzwischen oft mit Neigekiel und Tragflächen ausgerüsteten Rennmaschinen voll Elektronik, liegt bei 12,5 Tagen. In dieser Klasse segelt auch die Deutsch-Französin Isabelle Joschke (45), eine der sechs teilnehmenden Frauen, und auch Herrmann.

30 Prozent Ausfallrate

Für ihn ist der Franzose Charlie Dalin der Favorit. „Er ist auf dem Zenit und hat in diesem Jahr alles gewonnen und stets vom Start weg dominiert.“ Doch ist die Leistungsdichte unter den Profis sehr hoch. Chancen haben viele, sofern sie nicht wegen Materialbruchs oder nach einer Kollision mit treibenden Gegenständen aufgeben müssen. Die Ausfallrate bei der Route du Rhum liegt bei über 30 Prozent. 1978 blieb die französische Segellegende Alan Colas verschollen.

Bei der ersten Route du Rhum 1978 hatte der damals überraschend siegreiche Kanadier Mike Birch mit seinem knallgelben Trimaran aus Sperrholz noch 23 Tage gebraucht. Er hatte den hochfavorisierten Franzosen Michel Malinovski auf einem fast doppelt so großen Boot quasi auf der Ziellinie abgefangen und letztlich um nur 98 Sekunden geschlagen. Seitdem zeugen die immer schnelleren Boote von den technischen Entwicklungssprüngen im Segelsport.

Die Route du Rhum, bei der mehr als 80 Prozent der Teil­ne­hme­r*in­nen aus Frankreich kommen, wird dort in ihrer Bedeutung nur noch von der Vendée Globe übertroffen. Deren nächste Ausgabe beginnt in zwei Jahren. Für viele der Hel­d*in­nen des vergangenen Rennens um die Welt ist das Rumrennen jetzt wie bei Herrmann ein wichtiger Test ihrer Neubauten.

Denn Segeln ist ein Erfahrungssport, bei dem bewährte und gut eingestellte Materialien oft erfolgreicher sind als zwar neue, aber noch nicht optimal getrimmte Boote. Die haben zudem manchmal überraschende Kinderkrankheiten. Auch sind die Seg­le­r*in­nen mit ihnen noch nicht richtig vertraut. Herrmann spricht von einer Lernkurve und dass er mit seinem neuen Boot erst „bei 40 Prozent“ sei. Im Vergleich mit einer nonstop Weltregatta ist das Rennen über den Atlantik eher eine Kurzstrecke.

Direkt nach der Route du Rhum werden einige Boote, so auch Herrmanns Malizia-Seaexplorer, wieder nach Europa gesegelt. Dort beginnt Mitte Januar im spanischen Alicante das nächste Ocean Race, eine Mannschaftsregatta (jetzt mit vier Seg­le­r*in­nen/Boot) in mehreren Etappen um die Welt plus einem On-Board-Video- und Social-Media-Journalisten. Er soll ständig für Bilder und Berichte und so für die mediale Vermarktung sorgen, die das Event für die heute unerlässlichen Sponsoren interessant macht.

Jetzt müssen die Soloskipper die Bilder von Bord zum Großteil selbst machen, wie es Herrmann bisher meisterlich verstand. Ihn und die französischen Supersegelstars, die sich zum Teil mit der Eigenwerbung schwer tun, dürfte in dieser Hinsicht aber der einarmige Chinese Jingkun Xu in den Schatten stellen. Der 33-jährige gilt mangels Hochseeerfahrung bei der Regatta als chancenlos. Doch hat er auf einer chinesischen Plattform laut segelreporter.com 130 Millionen Follower.

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