Regierung gegen Rebellen: Der vergessene Krieg im Sudan

Von der Welt ignoriert, tobt in einer entlegenen Region des Sudan ein blutiger Konflikt. Zehntausende müssen aus den Nuba-Bergen fliehen.

Mohames Ahmed aus al-Gharbia in den Nuba-Bergen der sudanesischen Provinz Süd-Kordofan kam am 25. Januar als Flüchtling nach Yida. Dort grub er sich ein Erdloch.

Mohames Ahmed aus al-Gharbia sucht in einem Erdloch Schutz vor der sudanesischen Luftwaffe Foto: afp

YIDA taz | Die staubige Straße nach Norden liegt verlassen. Lastwagenfahrer dösen auf Matten im Schatten ihrer Fahrzeuge im Flüchtlingslager Yida im Südsudan. Ihr Ziel, die Nuba-Berge im Sudan, ist heftig umkämpft.

„Ständig bombardieren MIG-Kampfjets und Antonow-Flugzeuge“, sagt Kodi Nyattu von der einheimischen Entwicklungsorganisation Nuba NRRDO. Er verfolgt die Situation per Satellitentelefon. Die Mobilfunknetze sind durch die sudanesische Regierung blockiert. „Ich habe hier einen Lkw mit zwei Containern voller Unterrichtsmaterial für das neue Schuljahr“, erzählt er. „Das soll vor Beginn der Regenzeit in Nuba sein.“

Die sudanesische Armee hat in den Nuba-Bergen eine Offensive an sechs Orten gleichzeitig gestartet. Der Krieg wütet schon seit fünf Jahren, als der Südsudan unabhängig wurde, aber die Nuba-Berge – in denen ebenfalls Rebellen gegen die sudanesische Regierung kämpften – Teil des Sudan blieben. In Yida, das jetzt im Südsudan liegt, leben 70.000 Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet.

Die Regierung in der sudanesischen Hauptstadt Khartum sagt, sie sei gezwungen, militärische Aktionen durchzuführen, weil die Rebellen der Nuba-Berge einen Friedensplan nicht unterschrieben haben. Die Rebellen sind anderer Meinung: „Khartum versucht nur, vor der Regenzeit bessere Positionen einzunehmen“, schreibt Rebellensprecher Arnu Ngutulu in einer Erklärung. Die Nuba-Berge sind wie andere Regionen im Sudan kaum entwickelt. Nur in der Trockenzeit sind Straßen befahrbar. Sobald Regen fällt, bleiben sogar Panzer im Schlamm stecken, und dann kann auch nicht mehr gekämpft werden.

Grafik: infotext-berlin.de

Die Bewohner der Nuba-Berge, die nicht fliehen konnten, versteckten sich in den Bergen in Höhlen und Grotten, wie so oft seit vielen Jahren. Unbestätigte Berichte sprechen von mehreren hundert Toten in den letzten Wochen. In den Bergen sind die Rebellen meist am Boden überlegen, aber die Regierungsarmee ist Herrscher in der Luft. Im letzten Jahr wurden nach Angaben der Organisation Nuba Reports mehr als 2.000 Bomben auf das Berggebiet geworfen.

Barbara Kallo, Flüchtlingshelferin

„Wir haben keine Illusionen mehr. Wir scheinen weniger wichtig zu sein“

Während ihre Heimat bombardiert wird, sammeln sich die Flüchtlinge im Lager Yida und gedenken einer ihrer Helden. Mit Tanz, Liedern und Ansprachen wird an Yusif Kuwa erinnert. Er war es, der 1989 mit tausend Rebellen die Nuba-Berge einnahm und die Seite der damaligen südsudanesischen Rebellen (SPLA) ergriff, im gemeinsamen Kampf gegen den Sudan. Man hat ihn als diszipliniert und demokratisch in Erinnerung. Aber als südsudanesische Rebellen mit Khartum 2005 Frieden schlossen und 2011 der Südsudan unabhängig wurde, wurden die Nuba ignoriert und enttäuscht.

EU-Hilfe soll Menschenschmuggel verhindern

Die internationale Gemeinschaft nimmt diesen Krieg kaum zur Kenntnis. Barbara Kallo, die neu ankommende Flüchtlinge in Yida einweist, schließt daraus, dass die Welt nicht interessiert ist. „Wir sind auf uns selbst angewiesen“, sagt sie, an einem wackligen Tisch unter einem Strohdach sitzend. „Wir haben keine Illusionen mehr. Während des letzten Krieges war in erster Linie für die Südsudanesen Unterstützung da. Jetzt bekommen die Menschen in Darfur Aufmerksamkeit. Wir scheinen weniger wichtig zu sein.“

Die EU rief vor Kurzem zu einen Waffenstillstand in den Nuba-Bergen auf. Zugleich hat der EU-Kommissar für Entwicklungshilfe, Neven Mimica, dem Sudan 100 Millionen Euro Hilfe zur Armutsbekämpfung zugesagt. EU-Hilfe soll auch dazu dienen, die Grenzen des Sudan zu sichern, um Menschenschmuggel zu verhindern. Eine große Zahl von Migranten, unter anderem aus Eritrea, findet ihren Weg nach Europa durch den Sudan.

In den Nuba-Bergen gibt es offiziell keine auswärtigen Hilfsorganisationen, nur die eigene Organisation NRRDO. „Wir müssen uns selber helfen“, sagt Barbara Kallo. „Wir dachten nach den Frieden zwischen dem Nord- und dem Südsudan, dass der Süden uns helfen würde, weil wir zusammen gekämpft hatten. Aber unsere ehemaligen Kameraden sind zu viel mit sich selbst beschäftigt.“

Kriegsverbrechen: Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat der sudanesischen Regierung vorgeworfen, in den Nuba-Bergen Fassbomben abzuwerfen.

Bomben auf Dörfer: Mindestens 587 Bomben wurden in den vergangenen 30 Tagen aus umgebauten Antonow-Flugzeugen abgeworfen, so die GfbV. Der Einsatz von Fassbomben verletzt wegen ihrer Ungenauigkeit das humanitäre Völkerrecht.

Über 500 Tote: Seit Anfang März wurden in den Nuba-Bergen laut „Nuba Mountains Observatory for Human Rights“ 541 Zivilisten getötet.

In den letzten Wochen kommen täglich neue Flüchtlinge aus Nuba in Yida an. Aber sie können dort nicht bleiben. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR will Yida schließen und liefert keine Nahrungsmittelhilfe mehr, damit die Flüchtlinge weggehen. Yida liegt kaum zehn Kilometer von der Grenze zwischen dem Südsudan und dem Sudan – UN-Richtlinien verlangen, dass Lager mindestens 50 Kilometer entfernt von einer Grenze liegen sollen.

Die Nuba wollen nicht in die beiden vorgesehenen neuen Lager Ajuond Thok und Pamir umziehen. Im Moment können sie ab und zu nach Hause in ihre Dörfer, wenn die Kämpfe abflauen. Bei 50 Kilometer Entfernung geht das nicht mehr. Darüber hinaus wecken die neuen Lager Angst bei uns“, erklärt Salih Nour, Vorsitzender des Yida-Flüchtlingsrats. „Ajuong Thok ist nur 45 Kilometer von einer sudanesischen Armeebasis entfernt. Pamir liegt in einer Region, wo nomadische Völker leben, die auf der Seite der sudanesischen Regierung stehen. Also unserer Feinde.“

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