Regierung in Ägypten tritt zurück: Einen Grund gab's nicht

Der Rücktritt der ägyptischen Regierung löst Spekulationen über den Militärmachthaber El-Sisi aus. Vorausgegangen war eine breite Streikwelle.

Streikende Textilarbeiter in der Stadt Mahalla Al-Kubra. Bild: AP

KAIRO taz | Nur eine Viertelstunde dauerte die Kabinettssitzung in Kairo, dann gab Regierungschef Hazem El-Beblawi völlig überraschend den Rücktritt seiner gesamten Regierung bekannt. Seit Wochen kursieren in Ägypten Gerüchte über den Rücktritt einzelner Minister.

Ganz besonders wartete das Land darauf, ob der Verteidigungsminister Abdel Fatah El-Sisi sein Amt niederlegen wird. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass El-Sisi, der eigentliche Machthaber, wie erwartet für die kommenden Präsidentschaftswahlen kandidieren kann.

Wer erwartet hatte, dass El-Beblawi in seiner Rücktrittsrede einen konkreten Grund für den Schritt angeben werde, der wurde enttäuscht. Der kollektive Rücktritt der Regierung sei ein Schritt, der dem individuellen Rücktritt El-Sisis als Verteidigungsminister vorausgehe, „damit es nicht so aussieht, als würde El-Sisi einen Alleingang machen“, wird ein hoher Regierungsbeamter in der ägyptischen Presse zitiert. Demnach hätte die Regierung also in einem Schritt vorauseilenden Gehorsams El-Sisi den Weg zu seiner Bewerbung für das Präsidentenamt geebnet.

Vielen Ägyptern geht die Geduld aus

Aber das Kabinett El-Beblawis stand unter zunehmendem Druck. Eine ganze Welle von Streiks zeigt, dass vielen Ägyptern in der sozialen Frage die Geduld ausgeht. Kairos Busfahrer begannen am Wochenende mit Arbeitskampfmaßnahmen, um einen Mindestlohn von umgerechnet 120 Euro durchzusetzen. Gleichzeitig legten die Arbeiter in 28 Garagen der öffentlichen Verkehrsmittel in Kairo die Arbeit nieder. „Wir entschuldigen uns bei allen Bürgern, die davon betroffen sind, aber die Garage bleibt geschlossen, bis wir unsere Recht bekommen“, heißt es auf einem Banner an einer der großen Haltestellen in der Kairoer Innenstadt.

Seit zehn Tagen streiken auch die Textilarbeiter in den Webereien der Nildeltastadt Mahalla Al-Kubra. Für die Regierung ist das ein Alarmzeichen. Der Streik der Textilarbeiter hatte vor drei Jahren neben den Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz mit zum Sturz von Präsident Hosni Mubarak beigetragen. El-Beblawi hatte vor ein paar Tagen den Textilarbeitern versprochen, auf ihre Forderungen einzugehen zu wollen, sich aber für die Regierung aber noch mehr Zeit erbeten.

Vergangenen Mittwoch versprach die Regierung dann niedrigrangigen Polizeioffizieren eine Gehaltserhöhung von einem Drittel, nachdem diese ebenfalls mit Streik drohten. Dagegen läuft gegen Mitglieder des Ärzteverbandes eine Untersuchung der Staatanwaltschaft. Diese hatten wegen der katastrophalen Bedingungen im staatlichen Gesundheitssektor teilweise die Arbeit niedergelegt. Dem folgten dann die Straßenkehrer von Gizeh, die auch in das Programm eines Mindestlohnes aufgenommen werden wollen. Getoppt wurde das von einem Streik der Beamten des Grundbuchamtes. Seit Tagen können keine Immobilienkäufe mehr registriert werden.

Als neuer Regierungschef wird der bisherige Wohnungsbauminister Ibrahim Mahleb gehandelt. Er gehörte einst der Regierungspartei Mubaraks an und leitete die Baufirma Muaqawillun Al-Arab, die hauptsächlich von staatlichen Infrastrukturmaßnahmen lebt. Die Regierung El-Beblawis soll solange im Amt bleiben, bis eine neue gebildet ist. Wenn in dieser der Name El-Sisis als Verteidigungsminister fehlt, ist klar, dass er für die Präsidentschaft kandidieren wird.

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