Regierung in Dublin demontiert sich selbst: Eine echte irische Provinzposse

Alles fing damit an, dass Irlands Premier Cowen keinen Grund mehr für einen Rücktritt sah. Seither geht's bergab - in rasanter Talfahrt. Und dann wartet ja noch der März.

Da geht noch was: Irlands Premierminister Brian Cowen findet einen Rücktritt unnötig. Bild: dapd

DUBLIN taz | So lustig kann Politik sein! In der vergangenen Woche brachte jeder Tag eine neue Wendung in der irischen Provinzposse. Vorläufiger Höhepunkt war am Samstag der Rücktritt von Brian Cowen als Vorsitzender seiner Regierungspartei Fianna Fáil. Es sei das Beste für die Zukunft der Partei, sagte er. Als Premierminister sei er aber noch gut genug, findet er. Bis zu den vorgezogenen Neuwahlen am 11. März will er im Amt bleiben.

Die Selbstdemontage der Partei fing vor acht Tagen damit an, dass der unter Druck geratene Cowen "nach ausführlichen Beratungen mit seiner Fraktion" verkündete, dass er keinen Grund für irgendeinen Rücktritt sehe. Um das zu untermauern, stellte er am vergangenen Dienstag in seiner Fraktion die Vertrauensfrage, die er mit deutlicher Mehrheit gewann.

Sein Widersacher und wahrscheinlicher Nachfolger, Außenminister Micheál Martin, trat zurück. Am Mittwoch warfen drei weitere Minister das Handtuch. Mittags erklärte auch Gesundheitsministerin Mary Harney, dass sie sich aus der Politik verabschiede.

Harney, die vor sechs Jahren in einen Spesenskandal verwickelt war, hat mit ihrer neoliberalen Politik das irische Gesundheitswesen ruiniert. Dafür bekommt sie nun eine Abwrackprämie von einer Viertelmillion Euro sowie eine jährliche Pension von weit über 100.000 Euro. Eine angemessenere Prämie hatte sie im November erhalten: Das Volk bewarf sie erst mit roter Farbe, dann mit Eiern und Käse. Ihre Partei, die Progressive Democrats, hatte Harney schon vor gut zwei Jahren verloren: Sie lösten sich auf, weil keiner sie mehr wählen wollte.

Nur Harney blieb an ihrem Ministerstuhl kleben. Als am Mittwoch kurz vor Mitternacht auch noch Wirtschaftsminister Batt OKeefe seinen Rücktritt verkündete, wollte Cowen am nächsten Morgen die Gelegenheit nutzen, um sein Kabinett umzubilden - ein wahltaktisches Manöver, um ein paar Hinterbänkler ins Rampenlicht zu rücken, damit sich deren Chancen auf eine Wiederwahl erhöhten. Das durchschauten aber sogar die Grünen, der kleine Koalitionspartner von Fianna Fáil, der bisher noch jede Kröte geschluckt hatte, diesmal aber Corage zeigte und schlicht die Gefolgschaft verweigerte.

So stand Cowen nun da wie ein Fußballtrainer, der sein halbes Team ausgewechselt hat und feststellen muss, dass er niemanden einwechseln kann. Damit hatte er, der Irland mit seiner törichten Bankengarantie in den Bankrott getrieben hat, nun auch noch seine Partei zum Gespött des Landes gemacht. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die sechs verwaisten Ministerien unter seinen verbliebenen Kabinettsmitgliedern zu verteilen. Die Ämterhäufung spielt allerdings keine große Rolle, da sich Abgeordnete und Minister bis zu den Wahlen ohnehin in ihren Wahlkreisen herumtreiben werden, um für ihre Wiederwahl zu werben.

Das dürfte schwierig werden: Nach neuesten Umfragen liegt Fianna Fáil bei 14 Prozent - eine Katastrophe für eine Partei, die das Land seit 80 Jahren mit wenigen Unterbrechungen wie ein Familienunternehmen regiert hat. Damit die Familienmitglieder auch nach der Wahlniederlage versorgt sind, hat Fianna Fáil schon seit Dezember Dutzende Quangos aufgelöst, um sie sofort wieder neu zu gründen und mit ihren eigenen Leuten, ausgestattet mit frischen Fünfjahresverträgen, zu bestücken.

Die irische Posse wird in dieser Woche weitergehen: Die Opposition hat angekündigt, am Dienstag einen Misstrauensantrag im Parlament zu stellen, falls Cowen bis dahin nicht zur Besinnung kommt und als Premier zurücktritt.

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