Regierungsbildung in Polen: Duda schindet Zeit für die PiS

Präsident Duda will den bisherigen Premier mit der Regierungsbildung beauftragen. Dabei hat dessen PiS seit der Wahl keine Parlamentsmehrheit mehr.

Polens Präsident Andrzej Duda

Polens Präsident Andrzej Duda während der Fernsehansprache am 6. November Foto: Präsidentschaftspalast/reuters

WARSCHAU taz | Polen steht vor einem Machtwechsel. Vor drei Wochen gewannen drei demokratische und proeuropäische Parteien die Parlamentswahlen. Durch eine Rekordbeteiligung von 74 Prozent der Wahlberechtigten machten Polen und Polinnen eindrucksvoll klar, dass sie nicht mehr von der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) regiert werden wollen. Für die Dreierkoalition aus liberalkonservativer Bürgerkoalition, dem Mitte-rechts-Parteienbündnis Dritter Weg und der Neuen Linken stimmten knapp vier Millionen mehr Bürger als für die acht Jahre lang regierende PiS.

Dennoch zieht jetzt Staatspräsident Andrzej Duda, der selbst aus der PiS kommt, den demokratischen Wechsel in die Länge. Am Montagabend kündigte er in einer Fernsehansprache an, den bisherigen Premier Mateusz Morawiecki mit der erneuten Regierungsbildung beauftragen zu wollen.

Offiziell wird er dies am Montag, dem 13. November, tun, also erst in einer Woche. Auf diesen letztmöglichen Termin hatte Duda zuvor die erste Sitzung des neu gewählten Parlaments angesetzt.

Morawiecki wird wahrscheinlich die ihm verfassungsrechtlich zustehende Frist von zwei Wochen voll ausschöpfen, um zu versuchen eine Regierung zu bilden, um dann dem Präsidenten sein Scheitern bekannt zu geben.

Nachhilfe für Duda: „194 < 248“

Denn im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, haben die Abgeordneten der bisherigen demokratischen Oppositionsparteien mit 248 der insgesamt 460 Sitze die absolute Mehrheit inne. Sie werden einer von Morawiecki geführten Regierung auf keinen Fall zustimmen.

Laut offizieller „Ansprache an die Nation“ war für Präsident Dudas Entscheidung, noch einmal der PiS den Auftrag zur Regierungsbildung zu geben, ausschlaggebend, dass die PiS mit 194 Mandaten erneut stärkste Kraft im Sejm geworden war. Seiner Autorität als Staatspräsident ist das nicht unbedingt dienlich.

Inzwischen lacht halb Polen über ihn. Duda stehe wohl „auf Kriegsfuß mit der Mathematik“, heißt es in unzähligen Memes. Andere schreiben auf diversen Social-Media-Kanälen einfach nur: „Duda: 194 < 248“.

Nach zwei Wochen, wenn Morawiecki sein Scheitern eingestanden haben wird, kann der Sejm einen Abgeordneten damit beauftragen, eine Regierung zu bilden. Dies wird, sollte nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommen, Donald Tusk sein, der Ex-Premier Polens, frühere EU-Ratspräsident und derzeitige Parteichef der Bürgerkoalition (KO). Angeblich will Duda dann dessen Ministerriege „unverzüglich“ ernennen. Dann wäre es Ende November.

PiS könnte in letzter Minute noch Posten und Geld verteilen

Bis dahin könnte die geschäftsführende PiS-Regierung noch zahlreiche wichtige Posten verteilen, auch dem Präsidenten weitere Kompetenzen zuschanzen oder Millionen an künftigen Steuergeldern in Nebenhaushalten verstecken.

Polens Präsident weiß genau, was er tut: Er übernimmt die Palliativpflege der PiS und verlängert deren politisches Leben so lange es eben geht.

2025, wenn seine zweite und letzte Amtszeit als Präsident Polens endet, will er sich an die Spitze des national-konservativen Neuaufbruchs setzen und eine neue Karriere starten.

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