Regierungsumbildung in Frankreich: Durch loyalere Charaktere ersetzt

Premierministerin Elisabeth Borne setzt nach den Protesten den Rotstift an. Die Regierung verlassen muss unter anderem Erziehungsminister Pap Ndiaye.

Elisabeth Borne zieht an einer elektronischen Zigarette

Sehr unbeliebt: Elisabeth Borne Foto: Geoffroy Van der Hasselt/dpa

PARIS taz | Auf der Liste der Mitglieder der neuen Regierung von Premierministerin Elisabeth Borne fallen einige Abgänge, ein paar Neuzugänge und interne Wechsel an der Spitze der Ministerien auf. Die Tage in der Regierung der Staatssekretärin Marlène Schiappa beispielsweise waren gezählt, nachdem sie mit einem Interview im Playboy-Magazin konservative Krise und auch Regierungskollegen schockiert hatte und anschließend wegen des Verdachts auf Begünstigung bei der Vergabe von Subventionen des „Fonds Marianne“ angeprangert worden war. Ihr Abgang überrascht niemanden.

Der bisherige Erziehungsminister Pap Ndiaye war dagegen sofort ins Schussfeld geraten. Die Nominierung des schwarzen Historikers und Spezialisten der Bürgerrechtsbewegung in den USA war vor einem Jahr das Ereignis im zweiten Kabinett von Borne. Er war aber auch eine Alibifigur für den Staatschef, der etwas ethnische Pluralität in der Regierung wünschte. Von Beginn weg wurde er von der Rechten im Kampf gegen den „Wokismus“ zur Zielscheibe gehässiger Angriffe. Auf die Solidarität seiner Regierungskollegen konnte er dabei nicht zählen.

Da er es aber nicht verstanden habe, der Bildungspolitik neue Impulse zu geben, wird er nun durch den bisherigen Haushaltsminister Gabriel Attal ersetzt, der zu Macronsengstem Beraterkreis gehört. Da Ndiaye als Schwarzer in Frankreich als Exempel des verdienten Aufstiegs aus dem identitären Abseits galt, bleibt ein schaler Nachgeschmack.

Auch im Ministerium für die Solidarität wird mit der bisherigen Abgeordneten Aurore Bergé eine Politikerin in die Regierung befördert, die als Vertraute von Macron gilt. Der bisherige Gesundheitsminister, Ex-Notfallarzt François Braun, muss sein Amt an einen vormaligen Mitarbeiter von Borne, Aurélien Rousseau, abtreten. Die politische Loyalität kommt heute vor Fachkompetenz. Dies könnte man zur neuen Stadtministerin Sabrina Agresti-Roubache anmerken, die in den Medien als persönliche Freundin des Präsidentenpaars vorgestellt wird. Ihr Vorgänger Olivier Klein hatte als Ex-Bürgermeister von Clichy-sous-Bois immerhin eine langjährige Erfahrung in diesem Bereich.

Nur wenige Franzosen sind mit Borne zufrieden

Die seit Wochen und Tagen schließlich für Donnerstagvormittag angekündigte Regierungsumbildung in Frankreich ließ lange zusätzliche Stunden auf sich warten. Schon seit Montag war aber bekannt, dass Premierministerin Elisabeth Borne nicht ersetzt würde. Macron wünscht wegen der Vertrauenskrise, mit der die Staatsführung konfrontiert ist, vor allem Kontinuität. Noch im April, nach der Kraftprobe um die Rentenreform, hatte er eine Periode von „hundert Tagen“ proklamiert, und nach an deren Ende einen „neuen Sinn“ und Schwung angekündigt. Von einem Kurswechsel oder einer Beschleunigung der Reformpolitik ist jetzt nicht mehr die Rede.

Borne wollte im Gegenteil ein weitgehend erneuertes Ministerkabinett für einen Start mit neuen Kräften. Im Mai 2022 hatte sie zu ihrem Team im kleinen Kreis höchst ungehalten gesagt: „Ich stehe an der Spitze einer Regierung, die zur Hälfte aus Debilen besteht“. Da nun weit weniger als die Hälfte der Mitglieder der Regierung ausgewechselt wird, muss man annehmen, dass es darin für Borne auch weiterhin eine ganze Reihe von „Nieten“ bleiben.

Laut einer Umfrage für Le Figaro halten aber auch 56 Prozent der Befragten Borne für eine „schlechte“ Regierungschefin. Nur 27 Prozent waren mit ihrer Bilanz zufrieden. Die Mini-Umbildung vor der traditionellen Sommerpause dürfte das generelle Malaise mit der Staatsführung kaum beseitigen.

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