Republika Srpska begeht Staatsjubiläum: Gedrückte Stimmung in Banja Luka

Die bosnische Teilrepublik feiert mit viel Pomp, steht aber kurz vorm Bankrott. Die angedrohte Abspaltung des Landes von Bosnien blieb allerdings aus.

Marschierende Polizisten in Banja Luka, in Flecktarn und mit roten Baretten

Angehörige der Polizeieinheiten bei der Parade in Banja Luka am 9. Januar 2024 Foto: Fedja Grulovic/reuters

BANJA LUKA taz | Es sollte ein Großereignis werden und war mit entsprechendem Pomp angekündigt: der Tag der Gründung der Republika Srpska Bosna, der sich am 9. Januar zum 32. Mal jährte.

Doch anders als vom Regime erwartet drängten sich die Menschen in der inoffiziellen Hauptstadt Banja Luka keineswegs, um dem teuren Spektakel aus Lichtshows und patriotischer Musik teilzunehmen. Dabei hatte der Präsident des serbisch dominierten Teilstaates Republika Srpska, Milorad Dodik, den Zuschauern und den geladenen Gästen etwas bieten wollen, um sich so selbst angemessen in Szene setzen zu können.

Erklärt Dodik die Republika Srpska für unabhängig?

Mit Spannung wurde der Aufmarsch der Truppen der serbischen Extremisten am 9. Januar in Banja Luka erwartet. Würde Dodik es diesmal wagen, seine Teilrepublik für unabhängig zu erklären? Und damit internationale Spannungen oder sogar einen Krieg heraufbeschwören? Oder würde er letztendlich doch wieder klein beigeben und doch noch für einen Ausgleich mit der bosniakischen und kroatischen Bevölkerungsmehrheit in Bosnien und Herzegowina sorgen?

Als am Dienstag um 17 Uhr bei klirrender Kälte die Parade begann, war darüber noch nicht entschieden. Auf dem Hauptplatz der knapp 200.000 Einwohner zählenden Stadt war ein Podest für die Staatsführung und die Prominenz aufgebaut, an dem die bewaffneten Kräfte und Unterstützer des Regimes vorbeimarschieren sollten. Schon am Vorabend war das Gelände von der Polizei hermetisch abgeriegelt worden. Schmale Zugänge sollten den Veranstaltern garantieren, dass es nicht zu unliebsamen Zwischenfällen kommen würde. Den Zuschauern blieb ein kleiner Streifen hinter der Pressebühne.

Der Großteil der internationalen Gäste war erst gar nicht angereist

Doch der Großteil der geladenen internationalen Gäste war zu dem Event erst gar nicht angereist. Einzig der russische Botschafter war gekommen. Doch weder der Präsident Serbiens, Aleksandar Vučić, noch der heiß umworbene und Dodik wohlgesonnene ungarische Präsident Victor Orbán ließen sich blicken. Nicht einmal die serbienfreundliche politische Führung aus Montenegro war nach Banja Luka gekommen. Dass selbst die serbisch-orthodoxe Welt, Serbien, Russland und die orthodoxe Kirche, den Schulterschluss mit ihm vermied, war für Dodik eine Niederlage. Westliche Diplomaten boykottierten die Veranstaltung ohnehin.

Den Menschen ist nicht nach Feiern

Und auch die Parade war enttäuschend. Zwar liefen die Menschen brav die Straße entlang, doch weder bei den Studierenden noch bei den Feuerwehrleuten oder den Müllwerkern kam Stimmung auf. Nicht einmal die aus Russland mit einer Putin-Flagge angereiste Motorradgang Nachtwölfe sorgte für Stimmung. Die Polizeieinheiten und die Antiterrortruppe gerieten zudem leicht aus dem Takt. Und auch die regimetreuen Zuschauer, die aus ländlichen Gebieten angekarrt worden waren, verhielten sich ruhig. Die nationalistischen Parolen zündeten nicht.

Die städtische Bevölkerung war gar nicht erst gekommen. In Feier­stimmung sind diejenigen, die unter dem ökonomischen Niedergang des Landes leiden, nicht. Denn die serbische Teilrepublik ist eigentlich bankrott. Viele Menschen verlassen das Land, ganze Landstriche leeren sich. Kleinstädte verfallen zusehends, jetzt droht dieses Schicksal auch den Städten Prijedor und Doboi, die bisher noch ein wenig für wirtschaftliches Wachstum sorgten. Von den angeblich 1,2 Millionen Serben im Land sind nach ­Schätzungen internationaler Organisationen noch etwa 800.000 übrig.

Um den Staatsbankrott zu verhindern, versucht Dodik mit allen Mitteln, den Besitz des gemeinsamen Gesamtstaates unter seine Kontrolle bekommen. Dazu gehört auch die Drohung mit der Sezession und der Spaltung des Landes Bosnien und Herzegowina, von der er am Dienstag in Banja Luka nicht mehr sprach.

Unabhängigkeit als Überlebensfrage

Beim Friedensabkommen in Dayton 1995 wurde dem serbischen Teilstaat zwar 48 Prozent der Fläche Bosnien und Herzegowinas zugesprochen, der Staatsbesitz blieb unter dem Schirm des gemeinsamen Gesamtstaates. Die Unabhängigkeit der Republika Srpska vom Gesamtstaat ist also eine Überlebensfrage für ihn und seine Herrschaft. Deshalb hat er in „seiner“ Teilrepublik Gesetze erlassen, die alle diejenigen kriminalisieren, die ihre Stimme gegen das Regime erheben. Auch ausländische Medienvertreter können zu „Feinden der Republika Srpska“ erklärt werden. Mit den von ihm im Parlament der Republika Srpska durchgesetzten Gesetzespaket soll das Referendum zur Loslösung aus dem Gesamtstaat erleichtert werden.

Das bedeutete aber, bewaffnete Auseinandersetzungen in Bosnien heraufzubeschwören. Das kann von den USA und der EU nicht geduldet werden, gerade weil Russland den Konflikt befeuern kann. Es kommt jetzt also auf die feste Haltung der westlichen Mächte an. Werden sie wie bisher Dodiks Treiben zusehen oder doch noch eingreifen? Immerhin besitzt der Hohe Repräsentant die Macht, dem Spiel Dodiks ein Ende zu bereiten. Die Bevölkerung in Banja Luka, so scheint es, steht nicht mehr eindeutig hinter ihm.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.