Richter-Doku auf der Berlinale: Im Fadenkreuz vieler Organisationen

Der mutigste Richter Europas: In "Escuchando al Juez Garzón" von Isabel Coixet (Special) ist der spanische Richter Baltasar Garzón der einzige Darsteller.

"Die Korruption ist ein Krebsgeschwür der Demokratie": Baltasar Garzón in dem Film von Isabel Coixet. Bild: berlinale

"Wir müssen tun, was notwendig ist, um unsere Mission fortzusetzen", sagt Baltasar Garzón. Er ist Untersuchungsrichter am obersten Gerichtshof Spaniens und der einzige Darsteller in Isabel Coixets Dokumentarfilm "Escuchando al Juez Garzón" (Richter Garzón zuhörend). Der Titel des Films ist wortwörtlich zu nehmen: Garzón, randlose Brille, das weiße Haar nach hinten gekämmt, spricht 85 Minuten lang, kaum unterbrochen von den Fragen des Interviewers.

Der berühmte Richter erzählt, wie er in den 1980er Jahren in der jungen spanischen Demokratie gegen terroristische Gruppen wie die baskische ETA ermitteln ließ. Und wie er schon bald gegen die regierenden Sozialisten des Felipe Gonzalez selbst vorging: Die Regierenden hatten ihrerseits einen parastaatlich organisierten, schmutzigen Krieg gegen die ETA geführt.

Der schwarzweiß gedrehte Film von Coixet zeigt einen hochkonzentrierten Juristen. Garzón argumentiert sachlich, ruhig und mit einem hin und wieder aufblitzenden Sinn für Humor. Er ist sich bewusst, im Fadenkreuz vieler Organisationen zu stehen. Nach ETA und GAL bekämpfte Garzón die Mafiahochburgen in Galizien. Geldwäsche, Drogen, Korruption, Terrorismus, organisierte Kriminalität - Garzón nennt dies "komplexe Phänomene", die man mit komplexen Methoden bekämpfen müsse.

Galizien war nicht Sizilien, dennoch spielte für Garzón der Mut einzelner italienischer Juristen das Vorbild, um die mafiosen Strukturen im eigenen Land zu bekämpfen. Anfang der 1990er Jahre, sagt der Richter, sei das organisierte Verbrechen besser als der spanische Staat organisiert gewesen. Statt kleine Dealer zu jagen, richtete Garzón sein Hauptaugenmerk auf die Geldströme der transnational agierenden Syndikate und erzielte beachtliche Fahndungserfolge.

So richtig berühmt über Spanien hinweg wurde Garzón 1998. Zusammen mit britischen Kollegen gelang es ihm, den chilenischen Exdiktator General Pinochet in London vorübergehend festzusetzen. Sein Vorpreschen gab vielen Juristen in Lateinamerika den Rückhalt, damit sie heute selber die früheren Diktaturverbrechen vor nationalen Gerichten verhandeln können. Von 2007 bis 2009 machte sich Garzón daran, in Spanien selbst die ungesühnten Menschenrechtsverbrechen aus der der Zeit der Franco-Diktatur zu untersuchen. Die politische Rechte erhöhte den Druck, die Justiz stoppte sein Vorhaben. 2008 deckte er einen großen Korruptions- und Immobilienskandal in Madrid auf, die "Operation Gürtel". Involviert sind führende Mitglieder des Partido Popular.

"Korruption ist das Krebsgeschwür der Demokratie und nicht mir ihr vereinbar", sagt Garzón in Coixets Film. Man glaubt dem 1955 geborenen, was er sagt. Auch Attentatsversuche und dass derzeit ein Komplott aus Politik und Justiz alles daran setzt, ihn fertigzumachen - ihm droht durch fingierte Anklagen Berufsverbot. Doch "Escuchando al Juez Garzón" kann filmisch nicht der letzte Beitrag dazu sein. Eine anständig produzierte Dokufiktion wäre das Mindeste an öffentlich-rechtlicher Empathie für diese Auseinandersetzung um das Herz der europäischen Demokratie.

17. 2., 18 Uhr, Cubix 8. Im Rahmen der "Berliner Lektionen" spricht Garzón am 20. Februar in der Hauptstadt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.