Rohstoffe für die Transformation: Norwegen gestattet Tiefseebergbau

Bodenschätze auf dem Meeresgrund wie Manganknollen heizen wirtschaftliche Fantasien an. Norwegen erlaubt als erstes Land nun den kommerziellen Abbau.

Menschen halten Transparente in Form von Sprechblasen

Protestierende gegen die Legalisierung des Tiefseebergbaus vor dem norwegischen Parlament in Oslo am Montag Foto: Javad Parsa/NTB/reuters

HAMBURG taz | Fordert die Energiewende ihren Preis? Bisher wird Tiefseebergbau noch nirgendwo auf der Welt kommerziell betrieben. Doch nun macht Norwegen als erstes Land in Europa den Weg frei für marine Bodenschätze. Die norwegische Minderheitsregierung des Sozialdemokraten Jonas Gahr Støre hatte sich mit zwei Oppositionsparteien – der konservativen Partei Høyre und der rechtsextremen Fortschrittspartei – auf eine Legalisierung des Tiefseebergbaus verständigt. Am Dienstagnachmittag stimmte nun auch die Mehrheit des Parlaments in Oslo zu.

Die Öl- und Gasnation Norwegen soll über große Vorkommen von Mineralien auf dem Meeresgrund verfügen, die etwa für Windkrafträder oder Batterien für Elektroautos benötigt werden. Das nun ins Auge gefasste Gebiet in der Arktis ist rund 280.000 Quadratkilometer groß, was nahezu der Fläche der Bundesrepublik entspricht.

Bislang galt der kleine Pazifikstaat Nauru als Vorreiter des Tiefseebergbaus. Eine Kooperation mit dem an der Wall Street notierten Rohstoffkonzern The Metals Company (TMC) hat aber bislang noch zu keinem Abbau von Manganknollen geführt, die hier in 4.000 bis 6.000 Metern Tiefe auf dem Meeresboden ruhen.

Grundsätzlich erlaubt das internationale Seerecht – darauf beruft sich auch Norwegen – einen Bergbau innerhalb der „Ausschließlichen Wirtschaftszone“. Diese reicht von der Küste aus bis 200 Seemeilen (etwa 350 Kilometer) ins Meer. Jenseits dieser Zone beginnt völkerrechtlich die „Hohe See“. Und hier gilt für den Meeresboden ein System vergleichsweise strenger, internationaler Vorgaben. Das 1982 von den Vereinten Nationen beschlossene Seerechtsübereinkommen UNCLOS erklärt alle Ressourcen zum „gemeinsamen Menschheitserbe“. Die Hohe See macht fast die Hälfte der gesamten Erdoberfläche aus. Verwaltet wird sie von der Meeresbodenbehörde ISA auf Jamaika, der 167 Länder und die EU angehören.

„Unnötige Zerstörung“

Bislang erlaubt die UN-Behörde hier lediglich die Erforschung des Meeresbodens. Die ISA hat dazu ein gutes Dutzend Explorationslizenzen erteilt, unter anderem an Russland, China und Deutschland.

Bundesregierung und Europäische Union treten dafür ein, das Moratorium fortzusetzen, das bislang den Bergbau auf Hoher See untersagt. Nach dem jüngsten Scheitern der Verhandlungen im Juli soll nun ein verbindliches Regelwerk bis 2026 erarbeitet werden. Diese würde dann zwar nicht für die nationalen Ausschließlichen Wirtschaftszonen gelten, doch Norwegen dürfte vor einem politischen Alleingang zurückschrecken.

Vor dem Parlament in Oslo hatten Aktivisten und Umweltorganisationen am Dienstag gegen die Legalisierung des Tiefseebergbaus protestiert. Auch in Deutschland befürchten Nichtregierungsorganisation wie Greenpeace oder WWF, dass der großflächige Abbau von Rohstoffen „unkalkulierbare Auswirkungen auf die sensiblen Lebensräume und Artenvielfalt“ im Meer habe. Zudem seien für die Energiewende keine Rohstoffe aus der Tiefsee notwendig, war wiederholt aus dem Öko-Institut in Freiburg, aber auch aus der deutschen Industrie zu vernehmen. Ökonomen weisen zusätzlich auf extreme technische Herausforderungen und hohe Preise hin, weswegen die Förderung „mariner mineralischer Rohstoffe“ aus großen Wassertiefen unwirtschaftlich sei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.