Rotlicht in Hannover: Polizei empfiehlt Hells-Angels-Boykott

Der Kripo-Chef von Hannover, Thomas Rochell, ruft dazu auf, das von den Hells Angels kontrollierte Steintorviertel zu boykottieren. Bei ihren Ermittlungen kommt die Polizei offenbar nicht voran.

Ohne langfristige Wirkung: Razzia im Steintorviertel. Bild: dpa

HANNOVER taz | Der Kriopchef von Hannover, Thomas Rochell, rät von einem Besuch des Rotlichtviertels seiner Stadt ab. Davon würden nur die Hells Angels profitieren, sagte Rochell gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ). "Jeder, der das tut, muss wissen, dass er damit die Position der Rocker und ihres Chefs stärkt."

Der Chef der Hells Angels Hannover ist Frank Hanebuth, der vor kurzem wieder in die Schlagzeilen geriet, weil seine Hunde Passanten angefallen hatten - ein bedauerlicher Zwischenfall, wenn man dem Rockerchef glauben will. Dass er selbst wegen Körperverletzung belangt wurde, ist lange her, der Zweimetermann verkehrt in Hannovers besten Kreisen. Sein Anwalt, Götz-Werner von Fromberg, ist mit Unternehmern wie AWD-Chef Carsten Maschmeyer und Prominenten wie dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder befreundet, der bis vor einem Jahr sogar in Frombergs Kanzlei wirkte.

Hanebuth, inzwischen Herr über ein verschachteltes Firmenimperium, kontrolliert Hannovers Rotlichtmilieu im so genannten "Steintorviertel", seine Securityfirmen bewachen die Bordelle. Das allein ist allerdings nicht strafbar. Wollte man die Hells Angels in Hannover verbieten, so wie es in Hamburg seit 1986 der Fall ist, müsste man ihnen Delikte wie Menschenhandel, Drogengeschäfte oder Geldwäsche nachweisen. "Sobald wir einen Anfangsverdacht haben, sind wir sehr zielstrebig in unseren Ermittlungen", sagt der Sprecher der hannoverschen Polizei, Thorsten Schiewe.

Das Problem ist nur: Ein konkreter Anfangsverdacht ist bei den Hells Angels in Hannover nicht in Sicht. "Natürlich haben wir Ermittler, die sich um das Thema Rockerkriminalität kümmern", sagt Polizeisprecher Schiewe. "Und da gehören auch Personen aus dem Umkreis von Herrn Hanebuth dazu." Doch alle Razzien und verdeckte Ermittlungen haben bisher wenig gebracht. Die Geschäfte der Hells Angels laufen weiter.

Zweifel an der Ermittlungsarbeit der hannoverschen Polizei haben die Auftritte des 2003 stillgelegten V-Manns Bernd Kirchner gesät. Kirchner behauptet, er sei auch deswegen abgeschaltet worden, weil er über Staatsanwälte berichtet habe, die in Bordellen des Steintorviertels ein- und ausgingen (taz berichtete). Einer dieser Staatsanwälte war Uwe Görlich, der später zum Oberstaatsanwalt befördert wurde und derzeit für Wirtschaftskriminalität zuständig ist. Die Kontaktbeamten von Kirchner, die gegen seine Abschaltung protestiert hatten, wurden auf andere Posten versetzt.

Starker Mann ist Frank Hanebuth. Der ehemalige Boxer wurde in den 1990er Jahren Präsident des Charters Hannover.

Im Jahr 2000 setzten sich die Hells Angels aus Hannover auf der Hamburger Reeperbahn fest - das Hamburger Charter war 1986 verboten worden.

Das Hamburger Intermezzo endete im selben Jahr mit der Verhaftung Hanebuths. Wegen schwerer Körperverletzung musste er dreieinhalb Jahre ins Gefängnis.

Hanebuth gibt sich seit seiner Entlassung geläutert.

Im Mai 2010 schloss er Frieden mit der verfeindeten Rockergang Bandidos - in der Kanzlei von Promi-Anwalt Götz von Fromberg.

Nach Recherchen des Weser Kuriers war Kirchner dem Netzwerk der Hells Angels gefährlich nahe gekommen. Er war dabei, als sich Hells Angels und Bordellbetreiber auf Gran Canaria mit Geschäftsleuten und Anwälten trafen, er hatte Kontakt zum Hanebuth-Vertrauten Wolfgang Peter, in dessen Pegasus Security GmbH viele Fäden zusammenliefen.

Statt gegen die Hells Angels zu ermitteln, erhob die Staatsanwaltschaft Hannover Anklage gegen Kirchner selbst. Die Vorwürfe: Vergewaltigung, Zuhälterei und Menschenhandel - der Agent hatte sich, um im Milieu glaubwürdig zu sein, selbst als Zuhälter ausgegeben. 2005 wurde Kirchner vom Landgericht vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen, die anderen Verfahren wurden wegen "geringfügiger Schuld" eingestellt.

Bis heute liegt Kirchner im Streit mit dem Polizeipräsidium Hannover, von dem er angeblich nicht gezahlten Lohn für seine Agententätigkeit fordert. Das Polizeipräsidium sagt, man habe alle Vorwürfe geprüft und es sei nichts dabei herausgekommen. Außerdem befänden sich die Akten im Falle Kirchner längst anderswo - bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht.

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