SPD-Fraktion in Schleswig-Holstein: Ein Neuanfang, der keiner ist

Die Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein wählt Serpil Midyatlı zu ihrer neuen Vorsitzenden. Thomas Losse-Müller hatte seinen Rückzug verkündet.

Serpiel Midyatlı am Rednerpult im Landtag Schleswig-Holstein

Serpil Midyatlı ist SPD-Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein und jetzt wieder Fraktions­chefin Foto: Frank Molter/dpa

KIEL taz | Mit elf Ja-Stimmen und einer Enthaltung wählte die zwölfköpfige SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag Serpil Midyatlı zur neuen Vorsitzenden. Damit ist die Lücke geschlossen, die der überraschende Rückzug des bisherigen Vorsitzenden Thomas Losse-Müller vor einer Woche riss. Midyatlı verspricht, als Oppositionsführerin pointiert auf die Fehler der schwarz-grünen Regierung hinzuweisen und die eigenen Pläne der SPD für Schleswig-Holstein deutlich zu machen: „Ich habe vor, an der einen oder anderen Stelle zu überraschen“, sagte sie.

Als Midyatlı gemeinsam mit der stellvertretenden Fraktionschefin Sophia Schiebe und dem Parlamentarischen Geschäftsführer Kai Dolgner im Foyer des Kieler Landeshauses vor die wartenden Jour­na­lis­t*in­nen trat, war das für die meisten keine Überraschung: Midyatlı galt als wahrscheinlichste Kandidatin für den Posten.

Die 48-Jährige ist Landesparteichefin und wurde auf dem SPD-Bundesparteitag am Wochenende erneut als eine von fünf stellvertretenden Vorsitzenden gewählt, nachdem sie sich in ihrer Rede für eine „humane Geflüchtetenpolitik“ und die Kindergrundsicherung stark gemacht hatte. Rund 80 Prozent der Delegierten stimmten für sie – kein überragendes Ergebnis, aber immerhin schnitt sie besser ab als Bundesbauministerin Klara Geywitz. Niemand in der Landtagsfraktion bringt also mehr politisches Gewicht mit als Midyatlı, die dem Parlament seit 2009 angehört.

Dennoch war ihre Wahl, vor allem mit dem klaren Ergebnis, nicht ganz selbstverständlich. Midyatlı hatte bereits von 2021 bis 2022 an der Fraktionsspitze gestanden. Sie folgte Ralf Stegner nach, dem langjährigen Landespartei- und Fraktionschef der SPD in Schleswig-Holstein. Er hatte die Kielerin, deren Eltern ein Restaurant führten und die selbst als 18-Jährige die Leitung eines Betriebes übernahm, zuvor gefördert und ihr den Weg in den Landtag geebnet.

Stegner überließ Midyatlı 2019 grollend das Feld

Doch 2019 kam es zum Bruch: Midyatlı verkündete ihre Ambitionen auf den Landesparteivorsitz, obwohl Stegner erneut kandidieren wollte. Er überließ ihr das Feld – grollend. Nach Stegners Entschluss, für die Bundestagswahl anzutreten, wurde Midyatlı zur Fraktionschefin gewählt.

Doch nach der Landtagswahl, bei der die SPD katastrophale 16 Prozent erhalten und keinen einzigen Wahlkreis direkt gewonnen hatte, trat sie den Platz Thomas Losse-Müller ab, den sie im Jahr 2021 als Spitzenkandidaten berufen hatte.

Auf die Frage, ob es diesmal Konkurrenz um das Amt gegeben hätte, sagte Midyatlı knapp: „Ist mir nicht bekannt.“ Ihre Stellvertreterin Schiebe sagte, die Fraktion sei nach der Wahl „allen Herausforderungen gewachsen“ und habe eine „Führung, der wir vertrauen“. Eigene Ambitionen verneinte sie: „Ich bin zufrieden mit meiner Rolle.“

Dass es eine Woche gedauert hatte, die Stelle neu zu besetzen, habe eher mit organisatorischen Fragen zu tun, erklärte Kai Dolgner. „Dass wir den Wechsel zu diesem Zeitpunkt nicht geplant hatten, ist klar. Aber so etwas ist Teil der Demokratie.“ Der Weggang von Thomas Losse-Müller sei ein Verlust. Der 50-jährige ehemalige Staatssekretär und Leiter der Staatskanzlei geht nach Berlin zur Stiftung Klimaneutralität. „Aber es ist keine Spaltung der Fraktion, nur die Folge einer persönlichen Entscheidung“, betonte Dolgner.

Midyatlı zeigt sich angriffslustig

In ihrem kurzen Statement zeigte sich Midyatlı angriffslustig: Nicht nur bei den großen Themen stehe die schwarz-grüne Landesregierung schlecht da, auch das politische „Brot- und Buttergeschäft funktioniert nicht in Schleswig-Holstein“. Sie nannte unter anderem die Ausstattung der Kitas und die Bildung als „Herzensthemen“, um die sie sich besonders kümmern wolle. Nach dem schlechten Abschneiden des Landes bei PISA und anderen Schulstudien könne es „so nicht weitergehen“.

Losse-Müller, der früher bei den Grünen war, hatte während seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender die Themen Energiewende, Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität und Klimaschutz in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt. Mit Erfolg, betonte Kai Dolgner: „Die Regierung übernimmt nun Positionen, mit denen wir in den Wahlkampf gezogen sind. Wir brauchen daher keinen Neuanfang – den haben wir längst gemacht.“

Bis Mitte März bleibt Losse-Müller noch Mitglied der Fraktion. Wer sich danach um diese Themen kümmern soll, stehe bisher nicht fest, so Dolgner.

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