SPD-Streit um Gebührenfreiheit: Die Sache mit der Waffel

SPD-Landeschef Raed Saleh und Co-Kandidatin Luise Lehmann verteidigen im Kampf um den Parteivorsitz die Gebührenfreiheit im Kita- und Schulbereich.

Das Bild zeigt Luise Lehmann und Raed Saleh

„Der Kampf geht weiter“: Luise Lehmann und Raed Saleh Foto: Maurizio Gambarini/Imago/Funke Foto Services

BERLIN taz | Die SPD macht mal wieder das, was sie gut kann: Sie kämpft gegen sich selbst. Im Rennen um den Parteivorsitz verhaken sich die antretenden drei Duos aktuell beim Konzept der vermeintlichen „Umsonst-Stadt“.

Für das Duo vom rechten Parteiflügel, Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini, ist die generelle Gebührenbefreiung bei Kitabetreuung oder Schulessen überkommene Sozialromantik. Berlin, heißt es von Neuköllns Bezirksbürgermeister und der Ex-Sportstaatsekretärin, könne es sich angesichts knapper Kassen nicht mehr leisten, über allen Ber­li­ner:­in­ne­rin­nen unabhängig vom Einkommensstatus das Füllhorn auszuschütten.

„Man spielt nicht mit solchen Grundwerten, auch nicht im innerparteilichen Wahlkampf“, tadelt Noch-SPD-Chef Raed Saleh am Donnerstag die Kon­kur­ren­t:in­nen um die Ende Mai neu zu wählende Doppelspitze. Saleh, der mit der jungen Neurochirurgin Luise Lehmann kandidiert, verteidigt dann auch noch mal „all die Errungenschaften im Bereich der Gebührenfreiheit“, die er sich letztlich als sein ureigenes Verdienst selbst ans Revers heftet.

Zwei Tage vor Beginn der SPD-Mitgliederbefragung über den künftigen Parteivorsitz gibt Saleh bei dem Pressewerbetermin mit Lehmann noch einmal alles. Er erinnert an seine von Armut geprägte Kindheit in Spandau, an das Sommerfest in seiner Grundschule, an die Waffel am dortigen SPD-Stand, die er sich nicht leisten konnte – und ihm dann einfach in die Hand gedrückt wurde: „Deine Waffel ist fertig.“ Ein „bewegender Moment“, sagt er in den Räumen der Berliner Stadtmission nahe des Hauptbahnhofs.

Streitpunkt 29-Euro-Ticket

Der Ort ist nicht zufällig gewählt. Die Arbeit der Stadtmission zeigt Saleh zufolge, „wie wichtig es ist, Armut zu bekämpfen“. Seit' an Seit' mit den Menschen in Not und Elend: Genau dafür stehe „seine“ SPD. Luise Lehmann assistiert, auch in Zukunft dafür sorgen zu wollen, „dass wir jedem Kind ermöglichen, mit den anderen auf Klassenfahrt zu fahren, und dass jedes Kind ein warmes Mittagessen bekommt“. Es dürfe keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben, nicht im Bildungsbereich, aber auch nicht beim ÖPNV.

Lehmann zielt damit auf das zweite innerparteiliche Streitthema: die Einführung des 29-Euro-Tickets für alle. Inzwischen seien die Mittel hierfür nicht mehr da, bekräftigten Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini jetzt noch einmal ihre wenig begeisterte Position zu der teuren Berliner Nahverkehrssondernummer.

Auch das dritte Kandidierendenduo, Kian Niroomand und Jana Bertels vom linken Parteiflügel, hatte jüngst im taz-Interview die Frage gestellt, „ob es angesichts der angespannten Lage Sinn macht, am 29-Euro-Ticket festzuhalten, wenn man auf der anderen Seite die Möglichkeit hat, das bestehende 49-Euro-Ticket so herunterzurabattieren, dass man auf einen entsprechend großen Anspruchskreis kommt“.

Kann die Konkurrenz gern fragen und kritisieren, aber am 29-Euro-Ticket für alle werde nicht gerüttelt, sagt Saleh: „Grundlage ist, dass man Sachen, die man verspricht, auch hält.“ Das Ticket war freilich auch das einzige Versprechen, das die SPD Berlin im Wahlkampf 2023 gemacht hat.

Er sei insgesamt etwas überrascht „über die Themensetzungen der anderen Teams“, sagt Saleh. Was insofern wiederum überrascht, als sich Kian Niroomand und Jana Bertels ebenfalls klar für ein bezahlbares Berlin aussprechen, nur eben das 29-Euro-Ticket nicht zwingend dazu zählen. Saleh ficht das nicht an. Er nimmt am Donnerstag nicht einmal die Namen der Kon­kur­ren­t:in­nen in den Mund. Für ihn zählt jetzt vor allem eines: „Der Kampf geht weiter.“

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