SPD goes Gewerkschaften: Seit’ an Seit’ mit den Arbeitern

Mit Dieter Reinken soll erstmals seit Langem ein Gewerkschafter Landesvorsitzender der Sozialdemokraten werden. Weitergehende Ambitionen auf Ämter hat er keine.

Damals noch Metaller: Dieter Reinken, designierter SPD-Landesvorsitzender, im Arbeitskampf 2010. Bild: taz

BREMEN taz | Dieter Reinken wird neuer Landesvorsitzender der SPD. Also: Noch ist das natürlich nicht offiziell, und gewählt wird er auch frühestens Ende Januar, auf einem Parteitag. Aber GegenkandidatInnen haben sich bislang nicht gemeldet. Und es sind, so hört man aus Parteikreisen, auch keine in Sicht, jedenfalls keine ernst zu nehmenden. Bewerbungen werden aber noch bis Jahresende entgegengenommen. Meldet sich keiner mehr, wird Reinken Nachfolger von Andreas Bovenschulte. Der ist zwar erst seit 2010 im Amt, gibt es aber zum Jahresende auf, weil er im kommenden Jahr gerne Bürgermeister im kleinen Nachbarort Weyhe werden will.

Reinken, der seit 1981 in Findorff lebt, zog bei der letzten Landtagswahl als „Seiteneinsteiger“ in die Bürgerschaft ein und ist dort nun arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Fraktion. Zwischen 1973 und 1990 arbeitete der heute 61-jährige bei den Bremer Stahlwerken, lange Zeit als Betriebsrat. Anschließend wechselte der gelernte Kaufmann im Reederei- und Schiffsmaklergewerbe dann zur IG Metall, wo er bis 2012 über zehn Jahre lang deren Erster Bevollmächtigter war.

Mit Reinken bekommt erstmals seit ewigen Zeiten ein langjähriger Gewerkschafter den Posten: Seine Vorgänger kamen stets aus dem öffentlichen Dienst oder waren Abgeordnete: der Jurist Bovenschulte ist erster Gemeinderat in Weyhe, sein Vorgänger Uwe Beckmeyer, ein gelernter Lehrer, sitzt seit 2002 im Bundestag, ebenso wie heute Carsten Sieling, der das Amt innehatte, als er Mitglied der Bremischen Bürgerschaft war. Die letzte Frau an der SPD-Spitze war die frühere Senatorin Christine Wischer, bis 1995 Vorgängerin des langjährigen SPD-Chefs und Uni-Professors Detlev Albers.

Reinken selbst will „nicht überhöhen“, dass nun ein Gewerkschafter an die Bremer Parteispitze rückt, auch wenn die SPD im Zuge der Koalitionsverhandlungen in Berlin zuletzt immer wieder den Schulterschluss mit den Gewerkschaften gesucht hat. „Das ist keine Kehrtwende“, sagt Reinken.

Seit 1995 ist er in der SPD. Damals entstand die Wählergemeinschaft „Arbeit für Bremen“ (AfB), eine bürgerliche Abspaltung der SPD, die sogleich in den Landtag einzog. „Als die AfB behauptete, den Kaisen’schen Schulterschluss zwischen Arbeiter- und Kaufmannschaft zu erneuern, wollte ich Flagge zeigen“, so Reinken.

Für ihn als Parteichef spricht, dass er als einfacher Bürgerschaftsabgeordneter mehr Zeit für dieses Ehrenamt des Parteichefs hat als etwa Bovenschulte – der zuletzt über die Doppelbelastung klagte. Und er hat keinerlei weitere Ambitionen auf weitere politische Spitzenämter. Dies hat er schon jetzt ganz unmissverständlich ausgeschlossen, auch mit Hinweis auf sein „fortgeschrittenes Alter“. Der SPD ist das auch ganz recht so – eine Debatte über die mögliche Nachfolge von Bürgermeister Jens Böhrnsen (64) will die Partei momentan verhindern. Sie käme, so heißt es in der SPD, jetzt „zur Unzeit“.

Ohnehin sieht sich Reinken als einen, der nicht „immer als Erster losrennt, wenn irgendwo eine Funktion frei wird“. Er hat sich nicht aufgedrängt, Parteichef zu werden. Aber zugesagt, als sie ihm nahe gelegt haben, er möge doch kandidieren. Aber etwas „überrascht“, sagt Reinken, sei er zunächst schon gewesen, dass er es nun werden soll.

Gar so viele personelle Alternativen hat die SPD auch nicht. SenatorInnen, so will es ein ungeschriebenes Gesetz, scheiden als SPD-Vorsitzende in Bremen traditionell aus. Und die beiden Bundestagsabgeordneten sind meist in Berlin und also zu weit weg. Man habe, so heißt es, mit Beckmeyer, der von 2006 bis 2010 Landesvorsitzender war, keine so guten Erfahrungen gemacht.

Und was die Große Koalition in Berlin angeht – so ist Reinken einer, der für den Vertrag mit CDU/CSU wirbt: „Ich komme aus einer Szene, die das Verhandeln gewöhnt ist.“ Und mit dem jetzigen „Kompromiss“ könne er angesichts des schlechten Wahlergebnisses der SPD „gut leben“, sagt Reinken. Der Vertrag enthalte „gute Weichenstellungen“, etwa beim Mindestlohn, oder dort, wo es um die Rolle der Tarifverträge oder die Begrenzung der Leiharbeit gehe. „Natürlich“ könne man mit dem Erreichten als Gewerkschafter „nicht zufrieden“ sein. Auch der Mindestlohn von 8,50 Euro sei „nur ein erster Schritt“. Aber beileibe „nicht ausreichend“: Es sei „völlig illusorisch“ anzunehmen, dass man von einem solchen Stundenlohn gut leben oder eine angemessene Rente bekommen könne. Viel entscheidender sei ohnedies die Frage, wie allgemeinverbindlich der Mindestlohn wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.