SPD im Niedersachsen-Aufwind: Träume von der Macht

„Koch und Kellner“ ist passé: Nach der Niedersachsen-Wahl verrät Sigmar Gabriel schon mal, wie er sich das Regieren im Bund so vorstellt.

„Dieses Pseudo-Freud-Gequatsche deutscher Journalisten ist Kokolores.“ Sigmar Gabriel. Bild: dpa

BERLIN taz | Wenn Sigmar Gabriel schlechte Laune hat, ist er angriffslustig. Wenn er gute Laune hat, auch. Am Dienstag nach dem Sieg in Niedersachsen blickt der SPD-Chef vergnügt in die Journalistenrunde im Willy-Brandt-Haus und sagt: „Uns geht es ziemlich gut.“ Nach der fünften Frage, ob Peer Steinbrück wirklich zur SPD passt, herrscht er: „Dieses Pseudo-Freud-Gequatsche deutscher Journalisten ist Kokolores.“

Die Schlüsselfrage lautet: Wie viel nutzt der SPD der Erfolg in Niedersachsen für den Bund? Das rot-grüne Bündnis, in dem es nach Steinbrücks Absturz hörbar knirschte, scheint jedenfalls gefestigt. Die Rollenverteilung in „Koch und Kellner“, also wichtige Volks- und dienstbare Kleinpartei, ist, so Gabriel, passé.

Zudem soll Hannover als Folie für die Bundestagwahl am 22. September gelten. Die SPD habe den populären David McAllister mit ihren Themen, Bildung und soziale Gerechtigkeit, besiegt. Die Zeiten, als eine „alles überstrahlende Figur es richtet, sind vorbei“, sagt Gabriel. Das wird nun auch für die populäre Kanzlerin gelten, hofft die SPD.

Der Bundesrat, in dem Rot-Grün nun über die Mehrheit verfügt, wird indes wohl keine zentrale Kampfarena. Dort könnte Rot-Grün alle schwarz-gelben Gesetze blockieren. Doch Gabriel verspricht eine „pragmatische“ Linie – offenbar fürchtet man, als Totalverweigerer dazustehen.

Viel wichtiger sei die Bundesrat-Mehrheit, falls Rot-Grün die Wahl gewinnt. Dann kann durchregiert werden. Gabriel kündigt drei Projekte an: die rechtliche Gleichstellung der Homo-Ehe, die doppelte Staatsbürgerschaft und die Vermögensteuer, die Ländersache ist. Dass diese Themen eher grüne als sozialdemokratische DNA haben, zeigt die rot-grüne Harmonie.

„Reche Sozialdemokraten“

Nun gibt es zwischen Hannover und dem Bund einen Unterschied: die Linkspartei. Mit der wird es kein Bündnis geben, so Gabriel. Im Westen seien das „Sektierer, die die SPD hassen“, im Osten „rechte Sozialdemokraten“. Rechte Sozialdemokraten?

Ja, in Brandenburg müsse SPD-Mann „Mathias Platzeck seinem Linkspartei-Wirtschaftsminister alle vier Wochen erklären, dass Mindestlöhne nötig sind“, so Gabriel höhnisch. Vielleicht wäre er mit dieser Polemik zurückhaltender, wenn er wüsste, wen er damit zitiert: Oskar Lafontaine. Der hatte mit der Vokabel „rechte Sozialdemokraten“ Regierungsbeteiligungen der Ost-Linken unter Feuer genommen.

Trotz Gabriels Nein zur Linkspartei macht die SPD-Linke vorsichtige Lockerungsübungen. Ihre Frontfrau Hilde Mattheis sagt der taz: „Unser Ziel ist ein rot-grünes Bündnis. Darüber hinaus darf es kein Denkverbot für ein linkes Reformbündnis geben.“ Ähnlich klingt Frank Schwabe, SPD-MdB. Die Linkspartei habe „noch Häutungsprozesse nötig“.

Doch wenn es für Rot-Grün im Bund nicht reicht, so Schwabe zur taz, „wird die Debatte um Rot-Rot-Grün kommen“. Und die nächste Bundestagsfraktion der Linkspartei wird, wegen der Schwächen im Westen, stärker von Ost-Linken dominiert. In Gabriels Sprachgebrauch: von „rechten Sozialdemokraten“.

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