Salzwasser wird außer Landes geschafft: Rätselraten um Asse-Lauge

Salzhaltiges Grubenwasser aus dem maroden Atommülllager Asse soll vorerst nicht in der Elbe verklappt werden. Wohin es entsorgt wird, soll aber geheim bleiben

Kiloweise radioaktives Uran und Plutonium: Im Atommülllager Asse bei Braunschweig Foto: dpa

HANNOVER taz | Die salzhaltigen Laugen aus dem einsturzgefährdeten Atommülllager Asse sollen künftig außerhalb Niedersachsens deponiert werden. Sie werden also anders als ursprünglich geplant zunächst nicht in die Elbe eingeleitet. Das machte BfS-Präsident Wolfram König bei einer „Unterrichtung“ des Umweltausschusses des niedersächsischen Landtags deutlich: „Wir haben vom 1. 1. 2017 einen anderen Weg“, so der Chef der Bundesoberbehörde, der selbst Mitglied der Grünen ist.

Wo und wie das salzhaltige Grubenwasser stattdessen entsorgt werden sollen, wollte König jedoch nicht sagen – schließlich drohe zumindest am jeweiligen Einlagerungsort massiver Protest: „Keiner will das Wasser haben.“

Verwunderlich ist das nicht: Getarnt als Forschungsbergwerk diente die Asse als „billige atomare Müllkippe“, so Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel. Zwischen 1965 und 1978 wurden mehr als 125.000 „Gebinde“ mit schwach- und mindestens 14.800 Fässer mit mittelradioaktivem Müll unter Tage gebracht. Teilweise wurden die Behälter beim Abkippen beschädigt – dabei wurden schon seit der Erschließung der Grube im Jahr 1906 Zuflüsse von Salzlösung beobachtet, die aber abgedichtet werden konnten oder als vernachlässigbar galten.

Zwischen 1988 und 2008 allerdings wurden 32 neue Zuläufe entdeckt. Aktuell dringen jeden Tag 12.500 Liter Wasser in die Asse ein. Wird das nicht abgepumpt, droht wie bei einem unkontrollierten Flüssigkeitseinbruch der Zusammenbruch des gesamten Salzstocks. 2008 wurde außerdem bekannt, dass Laugen der Asse mit radioaktivem Cäsium belastet sind: Offenbar hatten zumindest Teile des Salzwassers Kontakt mit dem Atommüll in den beschädigten Fässern.

Rund um das Atomlager Asse gab es zwischen 2010 und 2014 weniger Leukämiekranke als erwartet. Allerdings litten dort überdurchschnittlich viele Menschen an Schilddrüsenkrebs.

Nach Zahlen des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen erkrankten fünf Menschen neu an Leukämie – statistisch erwartet worden waren 8,5 Fälle.

Schilddrüsenkrebs wurde dagegen bei neun Menschen diagnostiziert. Die Zahl lag damit deutlich über den erwarteten 3,8 Fällen.

Atomgegner machen die radioaktiven Abfälle der Asse für das erhöhte Krebsrisiko verantwortlich. Ein Zusammenhang ist jedoch nicht eindeutig belegt.

Um zu verhindern, das radioaktives und partiell hochgiftiges Uran, Plutonium und Strontium gleich kiloweise in die Umwelt gelangen, hat der Bundestag 2013 die Rückholung des gesamten strahlenden Inventars beschlossen. Das dürfte nicht nur mit rund zehn Milliarden Euro zu Buche schlagen, sondern kann im ungünstigsten Fall erst ab dem Jahr 2036 beginnen. Bis dahin ist unverzichtbar, dass die Grube halbwegs trocken bleibt: Wasser löst den Salzstock schlicht auf.

Die bis dahin täglich neu in das Bergwerk laufenden Tausenden Liter Flüssigkeit müssen also unbedingt abgepumpt und entsorgt werden. Bisher wurde das in dem Salzbergwerk zu Lauge verwandelte Wasser zur Flutung des ehemaligen Kalibergwerks Mariaglück in Höfer bei Celle verwandt – schließlich versichert der grüne BfS-Präsident König, dieser Teil der Laugen sei „unbelastet“ und „völlig kontaminationsfrei“. Das Kalibergwerk ist aber mittlerweile voll. Deshalb hatte das BfS eine Genehmigung für die Einleitung in die Elbe beantragt. Das Amt verfolgt den Antrag weiter, um Alternativen zur Hand zu haben, wenn Entsorgungswege wegbrechen.

Von einer Verklappung in der Elbe wollen SPD und Grüne im Landtag aber nichts wissen. Bei Gorleben wird bereits Salzwasser aus dem dortigen, einst als Atommüllendlager vorgesehenen Bergwerk in die Elbe gepumpt. „Eine Einleitung in einen Süßwasserfluss ist nicht die ökologisch verträglichste Lösung“, sagt die grüne Abgeordnete Miriam Staudte aus Lüneburg, die Gorleben vehement bekämpft hat.

Vor einer „verheerenden Wirkung auf das Ökosystem“ warnt seit Monaten auch der Leiter des Elbebüros des BUND, Ernst Paul Dörfler: Mit einer Salzkonzentration von 1,3 Gramm pro Kubikzentimeter handele es sich bei dem Asse-Wasser um „nahezu hundertprozentige Salzlake“. Denkbar sei stattdessen die direkte „Einleitung in die Nordsee“ oder die Flutung eines weiteren ehemaligen Salzbergwerks, sagt Staudte. SPD-Landtagsfraktionsvize Marcus Bosse sieht das ähnlich.

Machbar wäre wohl auch die Trocknung der Lauge und die Verwendung des Salzes als Streumaterial. In Hannover wird deshalb spekuliert, dass die Laugen an den hessischen Düngemittelhersteller K+S geliefert werden könnten. BfS-Präsident König will aber nur bestätigen, dass die Laugen an ein Unternehmen außerhalb Niedersachsens gehen.

In einer früheren Fassung dieses Textes hatte es irrtümlich geheißen, das BfS habe sich von der Einleitung der Asse-Laugen in die Elbe „verabschiedet“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.