Schach: Wirres System

Schachprofi Wladimir Kramnik ist ein kluger Kopf, aber das WM-Procedere versteht er nicht wirklich.

Wer spielt gegen wen und vor allem: warum? Fragt Wladimir Kramnik Bild: reuters

BADEN-BADEN taz Während der 35. Dortmunder Schachtage bemüht sich der Weltverband Fide redlich, seinem Weltmeister Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Wladimir Kramnik zeigt sich bis dato jedoch unbeeindruckt und führt wie gewohnt bei seinem Lieblingsturnier. Das erweist sich allerdings einmal mehr als Remis-Festival: In den 16 Duellen gab es nur fünf Siege.

Als fast schon blutig muss daher die vierte der sieben Runden bezeichnet werden, weil es zwei Entscheidungen gab: Der Weltranglistenerste Viswanathan Anand rang den deutschen Meister Arkadij Naiditsch mühsam nieder. Der Lokalmatador und Sensationssieger von 2005 fiel mit 1:3 Punkten ans Tabellenende zurück. Kramnik machte in 30 Zügen kurzen Prozess mit Magnus Carlsen. Der 16-jährige Wunderknabe aus Norwegen zeigte wohl zu viel Respekt vor dem Weltmeister, dessen Schach-Biografie er als Kind andächtig verschlungen hatte. Der Russe führt nun mit 3:1 Zählern vor seinem Landsmann Jewgeni Aleksejew und Anand (beide 2,5:1,5). Den Turniersieg abhaken können angesichts von nur noch drei ausstehenden Runden wohl der Ungar Peter Leko, der Aserbaidschaner Schachrijar Mamedjarow (je 2:2) und Carlsen beziehungsweise Boris Gelfand (Israel) sowieso mit 1,5:2,5 Punkten.

Kramniks achter Erfolg in Dortmund zeichnet sich also ab. Das ist umso beeindruckender, weil ihn in den vergangenen Tagen Fieber plagte und dann noch Störfeuer vom Weltverband hinzukamen. Die Fide beschloss Benimmregeln, die man auch gegen Kramnik auslegen kann. Seit der Toilettenaffäre bei der WM, bei der ihm der geschlagene Wesselin Topalow hanebüchene Betrugsvorwürfe gemacht hatte, verweigert Kramnik dem Bulgaren den Handschlag vor jeder Partie. Das bleibt in Dortmund ohne Belang, denn Topalow wurde erst gar nicht zu Kramniks Heimspiel eingeladen. Umgekehrt lief das Geschäft natürlich genauso: Topalows Turnier in Sofia boykottierte der Weltmeister. Obwohl sich die beiden Weltranglistenzweiten spinnefeind sind, werden sie sich im nächsten Jahr wieder die Hand reichen müssen.

Ein anderer Fide-Beschluss in dieser Woche räumt Topalow doch wieder eine Chance auf die WM-Revanche ein. Nachdem der 32-Jährige für die Weltmeisterschaft im Herbst in Mexiko ausgebootet schien, darf er nun einen mit 150.000 US-Dollar dotierten Zweikampf gegen den nächsten Weltcup-Sieger austragen. Der Sieger fordert anschließend den neuen Weltmeister heraus. Verteidigt Wladimir Kramnik den Titel, muss er direkt gegen Topalow antreten.

Die immer neuen und wirren Konstruktionen des Schach-Weltverbandes kommentierte Kramnik an seinem 32. Geburtstag am Montag sarkastisch: "Ich denke, es gibt mittlerweile mehr Leute, die das WM-System nicht verstehen, als jene, die es kapieren." Nach dem letzten Zug am Sonntag in Dortmund will der Weltmeister herausfinden, "wer warum gegen wen spielt". Bis dahin konzentriert sich der Stoiker von der Schwarzmeerküste auf das, was er am liebsten macht: in Dortmund gewinnen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.