Schülerförderung in Hamburg: Lernrückstände bei der Schulbehörde

Hamburg will Teile des Programms „Aufholen nach Corona“ weiter finanzieren. Ob die pandemiebedigten Lernlücken aufgeholt wurden, ist derweil unklar.

Kinder mit Schulranzen gucken von Draußen in ein Schulgebäude

Abgehängt? Hamburger Schüler während der Pandemie Foto: Ulrich Perrey/dpa

HAMBURG taz | Da das Schulprogramm „Aufholen nach Corona“ bald endet und die Bundesregierung Mühe hat, die versprochene Fortsetzung auf die Beine zu stellen, will Hamburg einen Teil dieser Fördermaßnahmen selbst bezahlen. „Wir haben mit der Bundesregierung viele Gespräche geführt“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Donnerstag. „Kommen tut da was, aber es dauert recht lange.“ Womöglich ist mit dem „Start-Chancen-Programm“ aus Berlin erst 2025 zu rechnen.

Was Rabe nun vorstellte, ist allerdings so üppig nicht. Vom Bund hatte Hamburg 32 Millionen Euro für zweieinhalb Jahre bekommen. Kompensiert wird dies mit drei Millionen Euro Landesmitteln pro Jahr. Kernstück sind die „Hamburger Lernferien“, in denen Schüler freiwillig in Frühjahrs-, Sommer- und Herbstferien drei Stunden täglich in Kleingruppen Mathe, Deutsch und Selbstlernen lernen. Das Programm wird an allen Schulen in sozial schwieriger Lage „verstetigt“. Bis zu 6.000 Kinder sollen davon profitieren.

Außerdem soll an hundert Grundschulen ein Mentoren-Programm fortgesetzt werden, das Kindern den Übergang von der 4. Klasse in die weiterführende Schule erleichtert. Und es sollen sieben weitere Schulen mit „extrem vielen sozial benachteiligten Kindern“ zusätzliches Personal bekommen.

Um Kinder mit psychosozialen Problemen besser zu beraten, sollen von den 20 wegen Corona zusätzlich bereitgestellten Psychologen zehn bleiben. Und alle 63 Gymnasien bekommen für ihre Beratungsdienste einen „festen Personalsockel“, so Rabe.

Haben Lernferien etwas bewirkt?

Allerdings gibt es eine Kon­troverse darum, ob besagte Lernferien überhaupt wirken. Hamburg könnte das herausfinden – hat es doch ein landeseigenes Bildungsinstitut, das regelmäßig den Lernstand der Schüler in den Jahrgängen 2, 3, 5, 7, 8 und 9 testet. Üblicherweise erhalten diese Ergebnisse nur die einzelnen Schulen, doch anlässlich der Corona-Schulschließungen ließ Rabe im Februar 2022 einen „Kohortenvergleich“ erstellen.

Ergebnis: Besonders in der 3. Klasse gab in 2021 beim Lesen Lernrückstände, die „statistisch bedeutsam“ sind. Die Gruppe lernschwacher Schüler war hier um elf Prozent gewachsen, an Schulen in schwieriger Lage sogar um 13,6 Prozent. Auch in Mathe stieg deren Zahl.

Dass die Grundschulkinder in ganz Deutschland pandemiebedingt weniger lernten, offenbarte im Herbst der bundesweite „Bildungstrend 2021“ des „Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ (IQB). Hier sackten die anderen so sehr ab, dass Hamburg sich im Ranking verbesserte. Aber politisch brisant ist die Zahl der Kinder, die nicht die „Mindeststandards“ erreichen. Und da erreichte Hamburg 2021 gegenüber 2016 keine Fortschritte.

Eine aktuelle Erhebung, die sagt, ob die Schüler die pandemiebedingten Lernrückstände inzwischen aufholten, konnte der Schulsenator am Donnerstag nicht vorweisen. „Wir haben dazu keine belastbaren Zahlen“, sagt Rabe. Denn Hamburg habe inzwischen aus der Ukraine über 8.000 neue Schüler bekommen, die Zusammensetzung der Klassen wäre anders.

Folgen der Corona-Pandemie

„Der Senator bleibt den Nachweis schuldig, dass die Lernferien eine positive Wirkung entfalten“, sagte dagegen die Linken-Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus. Um die Coronajahre zu kompensieren, bräuchten die Lehrkräfte mehr Zeit für die Kinder. Die CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver hält es für „erfreulich, dass Hamburg Elemente des Corona-Aufholprogramms fortführt“. Doch bei den Psychologen dürfe nicht gespart werden.

Sie sorgt sich zudem, dass vor allem Kinder der dritten Klassen – also jene, die im Lockdown eingeschult wurden – „durchs Raster fallen und wir hier 20 Prozent Kinder haben, die nicht mal die Mindeststandards erfüllen“. Um das zu wissen, sei ein Vergleich mit neuen Daten wichtig. „Von den Ergebnissen wird man auf jeden Fall etwas ablesen können.“

Hört man Rabe zur Schulpolitik zu, macht Hamburg schon viel richtig. Der Stadtstaat habe, anders als andere Länder, seit Langem „zahlreiche Fördermaßnahmen“ für Schüler mit Lernrückständen und Problemen, für die er jährlich viele Millionen investiere.

So kennt Hamburg kein Sitzenbleiben. Stattdessen erhalten Fünfer-Kandidaten in Mathe und Deutsch kostenlos Nachhilfe. Dank des Bundesprogramms wurde dies auch schon Schülern ab Note 4 zuteil. Doch diese Ausnahme wird, so Rabe, ohne Bundesmittel „nicht mehr fortgesetzt werden können“.

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