Schwarz-grüne Koalitionspläne in Hamburg: CDU-Basis murrt über Vertrag

Am Montag soll der Hamburger CDU-Landesausschuss dem Koalitionsvertrag mit der GAL zustimmen. Einige Konservative murren über "zu viel Grün" in dem Papier.

Da waren sie noch Gegner: Wahlplakate von CDU und GAL vor der Wahl in Hamburg Bild: dpa

Aufbrechen möchte man an solchen Tagen. Wenn die Sonne sich tausendfach in der Außenalster spiegelt, Jollen über das Wasser flitzen und die Luft so samt und frisch ist, dass man am liebsten jetzt gleich und hier in den Norddeutschen Regatta Verein, von Einheimischen nur NRV genannt, eintreten möchte. Um ebenfalls die Segel setzen zu können, um einen Aufbruch zu erleben, einen wie ihn auch die Grünen und die Schwarzen in der Hansestadt wagen. Und wie ihn nun Barbara Ahrons, die Außenalster im Rücken, zu beschreiben versucht. Unter ihren Mitgliedern, sagt die Landeschefin der CDU-Mittelstandsvereinigung, sei der Koalitionsvertrag von CDU und GAL "nicht begeisterungsfähig". Dann lacht die Dame mit der Perlenkette ganz hinreißend.

Was Ahrons mit hanseatischem Understatement andeutet, ist dieser Tage häufiger in der CDU Hamburg zu hören - jedoch meist nur in Andeutungen. So richtig raus will damit niemand: Es gibt ein Gegrummel in den konservativen, traditionsreichen und wirtschaftsnahen Kreisen der Christdemokraten an der Elbe. Manche Mitglieder, sagt Ahrons, meinten schon, dass im schwarz-grünen Koalitionsvertrag "zu viel Grün" sei: "Da steht ja auch sehr viel GAL drin." Aber die Befürchtung der konservativen Welt, dass in Hamburg "der grüne Schwanz mit dem schwarzen Hund wedelt", teilt sie nicht: "Der Hund ist dafür zu schwer."

Ist das wahr? Hat sich die CDU unter dem Ersten Bürgermeister Ole von Beust sang- und klanglos damit abgefunden, nun neben den ehemaligen Schmuddelkindern der GAL die ledernen Senatorensessel zu drücken? Ein politisches Bündnis mit Leuten, die häufig aus dem gleichen Milieu kommen wie die so verhassten "Chaoten" vom Schanzenviertel, von der "Roten Flora" gar? "Es rumort in Hamburgs Chefetagen", schreibt die FAZ. "Unerhört ist das Gerücht", steht im Wirtschaftsteil des Blattes, Vertreter des Industrieverbandes seien während der Koalitionsverhandlungen "an der Rathaustür brüsk abgekanzelt" worden. Manche CDUler fragten sich irritiert, "ob überhaupt irgendwelche Überzeugungen Teil der Beustschen Persönlichkeitsstruktur sind". Autsch, das tut weh. Aber stimmt es? Wer grummelt hier?

Meist sind es CDUler, die nicht mit Namen genannt werden wollen. Solche, die Interviews wieder absagen, weil sie fürchten, bei den CDU-Granden schon genug angeeckt zu sein. Solche, die bitter anmerken, der Koalitionsvertrag, der am Montag im CDU-Landesausschuss noch einmal abgenickt werden soll, sei ein Zeichen für die "Inhalts- und Prinzipienlosigkeit der Partei, der ich angehöre" - und die zugleich mahnen: "Wir dürfen uns von den Grünen nicht weiter über den Löffel balbieren lassen." Solche, die sagen, es gebe in der Hamburger CDU "einen massiven Frust - und zwar in der Breite": "Wer soll das aussteuern?", heißt es im Seglerdeutsch, eine Kehrtwende, "eine Halse wird da ganz schwierig." Sarkastisch meint jemand: "Die Grünen sind sehr pragmatisch und unsere Leute sehr prinzipienlos - das erleichtert vieles."

Jörg Hamann, immerhin, spricht. Der Rechtsanwalt ist Mitglied der Bürgerschaft, des Landesparlaments, und symbolisiert die liberale, moderne CDU der Hansestadt perfekt. Seine Wirtschaftskanzlei liegt nahe dem Michel in der Altstadt, der Blick aus seinem Büro ist nicht spektakulär, aber passend: ein langweiliger Hinterhof, umkränzt von modernen Zweckbauten, am Rande jedoch alte Backsteinspeicher. Die Frau des 42-Jährigen ist Künstlerin, ihr Atelier liegt um die Ecke, Bilder von ihr hängen an den Wänden seines Büros.

Trotz des modernen Ambientes - den Koalitionsvertrag mit den Grünen sieht Hamann kritisch. Der sieht die Möglichkeit vor, das geplante Kohlekraftwerk in Moorburg aufzugeben, die grüne Umweltsenatorin hätte die Macht dazu - das sei für die CDU "ein Brocken, ein Risiko", sagt Hamann. Dennoch: "Alles andere als eine Beerdigung des Kohlekraftwerks wäre schon ein Wunder." Widerstand in der Partei gegen den Vertrag sieht er deshalb noch lange nicht: "Wir sind keine Partei der Widerstandskämpfer."

Nicht zuletzt der Entschluss zu einer sechsjährigen Grundschulzeit treibt Hamann um. Seine Tochter, deren Bild auf dem Schreibtisch steht, ist viereinhalb Jahre alt. Der Anwalt warnt: "Die Wähler jagen uns davon, wenn das nicht funktioniert." Ein alter Parteifreund habe ihn kürzlich daran erinnert, dass die Hamburger CDU 1953 mit ihrem Kampf für ein Ende der sechsjährigen Elementarschule noch einmal die Macht errungen hat - um sie dann für Jahrzehnte zu verlieren. Und jetzt solle diese sechsjährige Grundschule wieder eingeführt werden! "Eine Schulpolitik, bei der die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Beifall klatscht …", sagt Hamann, "dass ausgerechnet wir die machen sollen, ist schwer zu verdauen."

Von der schmucken Innenstadt geht es raus in die Außenbezirke. In Poppenbüttel, Endstation der S 1, hat gleich hinterm Bahnhof Andreas Mattner sein Büro. Der Landeschef des CDU-Wirtschaftsrates, lange Jahre Mitglied der Bürgerschaft, ist Geschäftsführer eines Unternehmens, das europaweit Einkaufszentren baut. Die Aussagen des Managers zu Schwarz-Grün in Hamburg sind glatt, nur ab und zu wagt er sich aus der Deckung. "Allen Dementis zum Trotz hat die schwarz-grüne Koalition in Hamburg bundesweit Signalwirkung", sagt er etwa. Damit durchbricht er eine Sprachregelung, die eigentlich in der Hamburger CDU auf dringendes Bitten aus Berlin hin herrscht. Ansonsten zeigt sich der 47-Jährige pragmatisch: "Das Wahlergebnis ist einfach eine Realität, der man sich stellen muss. Die unklare Zukunft für das Kohlekraftwerk Moorburg ist ein Tribut, den man zahlen muss, wenn man eine neue Mehrheit haben will."

Mattner verweist darauf, dass Rot-Rot-Grün möglich gewesen wäre. Oder eine große Koalition. Aber: "Es ist sehr fraglich, ob da mehr CDU-Politik durchsetzbar wäre." So nüchtern wie das Büro, in dem er arbeitet, sieht er Schwarz-Grün: Die einzige Verrücktheit, die er sich leistet, ist eine Fotografie über seinem Schreibtisch. Sie zeigt ihn, vor Karl-Heinz Rummenigge und Felix Magath liegend, als Torwart eines Benefizspiels. Offenbar eine große Stunde.

Ähnlich Großes verspricht das Treffen mit Karl-Heinz Warnholz in seinem Wahlkreisbüro an der Rahlstedter Fußgängerzone. Der Blick aus seinem Büro geht auf einen Parkplatz. "Kalle" Warnholz gehört zum Urgestein der Hamburger CDU. Der Immobilienmakler ist ein mächtiger Bezirksfürst, der Boss des mitgliederstärksten Ortverbandes der Hansestadt. Zweimal schon wurde sein Haus mit Steinen beworfen, 2001 gab es ein Bekennerschreiben eines "Autonomen Wiederstandes": "Kalle, halt endlich dein Maul - lass die Pfoten von der Roten Flora."

Kalle Warnholz ist nach eigenen Angaben ein "stadtbekannter Hund" und "am rechten Rand angesiedelt". Der 64-Jährige räumt ein, dass er die Grünen lange im Parlament "als Feindbild gesehen habe - und noch mehr im Innenausschuss", dem er vorsteht. Spätestens aber, als ein Bürgerschaftsabgeordneter der Linken Mitte April seine Rede mit den Worten "Damen und Herren, Genossinnen und Genossen" begann - spätestens da habe er gesagt: "Lasst uns das mit Schwarz-Grün machen."

In seiner Bürgersprechstunde hat er für sein Eintreten für diese Koalition Gegenwind bekommen: "Die haben gefragt, ob ich bekloppt bin", erzählt Warnholz, "das war sehr schwierig." Aber Schwarz-Grün sei eben außer der großen Koalition die einzige Chance, die politische Teilhabe der Linkspartei zu verhindern.

Gerade will Warnholz erklären, wie nun alle GALer mit Pöstchen und Geld versorgt würden, da klopft ein Besucher an die Tür, dem der CDU-Pate einen Job vermitteln will. Warnholz sagt ihm, er solle noch kurz unten im Café Venezia warten und sich solange ein Eis bestellen: "Fünf Kugeln - ich bezahle das." Es ist klar, worin die Macht von Kalle Warnholz gründet.

Zurück an der Außenalster, beim Norddeutschen Regatta Verein. Rahlstedt ist hier weit. Für den Abend haben sich gut dreißig Mittelständler eingefunden, der bulgarische Honorarkonsul soll die wirtschaftlichen Chancen des neuen EU-Mitglieds aufzeigen. Zuvor aber ergreift Ahrons das Wort: Sie wolle etwas über den Koalitionsvertrag sagen. Sie könne "gut mit ihm leben", betont sie. Die für den Hafen so wichtige Elbvertiefung komme, bei Moorburg seien die Verträge derart weit, dass das Kraftwerk kaum zu stoppen sei. Zwar verstehe sie, wenn manche Mittelständler sagten: Mein Gott, muss das im Vertrag stehen?! Sie bitte jedoch alle, abzuwarten, der Koalition eine Chance zu geben, Vertrauen zu haben und nicht gleich die Flinte ins Korn zu werfen.

Ahrons Ansprache ist beendet, kurz ist es still. Dann bekommt sie Applaus. Er klingt nach Zustimmung.

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