Schweizer Gotthardtunnel: Europäischer Durchbruch

Nach elfjähriger Bauzeit gelingt der Durchstoß im Gotthardbasistunnel in der Schweiz. Ab 2017 soll es deutlich schnellere Bahnverbindungen nach Norditalien geben.

Kurz vor dem Durchbruch: Der Bohrer "Sissi" nimmt die letzte Hürde für den Gotthardbasistunnel. Bild: ap

BERLIN taz | Großer Tag für die europäische Verkehrsgeschichte: Am Freitag gelang nach elfjähriger Bauzeit der Durchbruch im 57 Kilometer langen Gotthardbasistunnel in der Schweiz. Ab 2017 sollen Personen- und Güterzüge von Nord nach Süd schneller durch den längsten Tunnel der Welt als bisher durch die Alpen rollen - und einen Großteil des Lkw-Transitverkehrs aufnehmen. Der Tunnel ist ein Teil wichtiger europäischer Bahnverkehrsachsen, vor allem der Verbindung zwischen den großen Häfen Rotterdam und Genua; allerdings kommt der Ausbau der Anschlussverbindungen in Deutschland, vor allem im oberen Rheintal, nicht voran.

Bislang hat das Projekt, das die Schweizer per Volksabstimmung beschlossen haben, rund 7,5 Milliarden Euro gekostet; am Ende wird es etwa doppelt so teuer werden. Hinzu kommen die Kosten für weitere Tunnel und Anschlüsse, die die künftige Gotthardbahn schneller machen sollen. Finanziert wird das Projekt zu 65 Prozent aus der LKW-Maut, der Rest sind Steuergelder.

Vorteil der neuen Gotthardbahn: Sie ist im Vergleich zur bisherigen Bahnverbindung durch den Gotthardscheiteltunnel nicht nur kürzer, sondern vor allem eine Bahnverbindung ohne große Steigungen. Für Personenzüge verkürzt sich so die Fahrzeit zwischen Zürich und Mailand um eine Stunde auf zwei Stunden und 40 Minuten. Auch der Güterverkehr wird effizienter, da die Züge ohne das Auf und ab länger sein können. Insgesamt rechnen die Planer mit einer Verdoppelung der Transportkapazität, ein Teil wird mit LKW/Bahnsystemen wie dem kombinierten Verkehr oder der rollenden Autobahn abgewickelt. So entlastet der Bahntunnel die Schweizer vom zunehmenden Lasterverkehr auf den Straßen.

Die neue Verbindung nutzt der gesamten westeuropäischen Wirtschaft. Durch sie rücken nicht nur die bedeutenden EU-Hafenstädte Rotterdam und Genua enger zusammen. An dieser niederländisch-italienischen Achse liegen auch Industrieregionen wie der Nordwesten Italiens, das Rhein-Neckar- und das Rhein-Main-Gebiet sowie das Rheinland und das Ruhrgebiet.

Umso erstaunlicher ist es, dass es auf deutscher Seite kaum voran geht. "Anders als mit der Schweiz vereinbart, stockt der vierspurige Ausbau der Güterstrecke zwischen Karlsruhe und Basel", kritisiert der Geschäftsführer der Schienenlobbyorganisation Allianz pro Schiene, Dirk Flege. "Der Bund muss jetzt alles daran setzen, den Termin noch zu halten." Die Schieneninvestitionen müssten deutlich aufgestockt werden. Außerdem verlangt Flege ein "beherztes Förderprogramm zur Lärmsanierung der Güterwagenflotte".

Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschlands (VCD) kritisiert falsche Prioritäten beim Schienenausbau in Baden-Württemberg. "Während für den Ausbau der Rheintalbahn noch über 4 Milliarden Euro erforderlich sind, sollen rund 2,5 Milliarden Euro Bundesmittel für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ausgegen werden", kritisierte VCD-Landeschef Matthias Lieb. Dabei drohten diese Projekte zum Nadelöhr für den Güterverkehr zu werden.

Allerdings gibt es nicht nur in Stuttgart, sondern auch in Baden Protest gegen die Bahnprojekte. Dort befürchten die Ausbaugegner mehr Lärm durch immer mehr und längere und schwerere Züge. In Offenburg beispielsweise engagieren sich Bürger gegen ein drittes und viertes Gleis durch ihre Stadt, sie fordern statt dessen das, was viele Stuttgarter ablehnen: einen Tunnel.

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