Schwere Krise der Labour Party: Brown sieht blass aus

Der britische Labour Party laufen die Mitglieder weg, sie erfährt eine Wahlschlappe nach der anderen, und alle mäkeln an Premierminister Brown herum.

"Fatal" sei Gordon Browns Strategie für die Partei, meint sein Vorgänger Tony Blair. Bild: dpa

DUBLIN taz Es gibt nur einen, der die britische Labour Party jetzt noch retten könnte, doch der steht nicht zur Verfügung: Umfragen haben ergeben, dass die Regierungspartei auf 32 Prozent käme, machte sie Tony Blair erneut zum Premierminister. Sein Nachfolger Gordon Brown, der das Amt im Juni vorigen Jahres übernommen hat, dümpelt dagegen bei 24 Prozent, und seine potenziellen Herausforderer stehen noch schlechter da. Doch selbst mit Blair an der Spitze hätten die Tories noch 9 Punkte Vorsprung.

Noch vor einem Jahr schien Brown unangreifbar. Er wirkte beim Umgang mit den Überschwemmungen und der Terrorgefahr kompetent, und nach seiner Rückkehr aus den USA bescheinigten ihm die Zeitungen, im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht wie ein Schoßhündchen des US-Präsidenten George W. Bush aufgetreten zu sein. Brown war so selbstbewusst, dass er vorgezogene Neuwahlen in Erwägung zog. Von dem Augenblick an ging es bergab.

Die beginnende Wirtschaftskrise und Browns zögerliche Reaktion darauf ließ den Vorsprung zu den Tories dahinschmelzen. Brown musste die Blitzwahl abblasen, was seinem Ansehen noch mehr Schaden zufügte. Dann begann eine Serie von verheerenden Wahlniederlagen: Die Lokalwahlen und die Londoner Bürgermeisterwahl im Mai gingen genauso verloren wie Nachwahlen in Crewe und Henley, wo Labour sogar auf den fünften Platz hinter die Grünen und die rechtsextreme British National Party zurückfiel. Als die Regierungspartei Mitte Juli auch noch den Unterhaussitz in ihrer Hochburg Glasgow East an die separatistische Scottish National Party verlor, brach Panik unter den Hinterbänklern aus, denn Labour sind neben den Wechselwählern offenbar auch die Stammwähler abhanden gekommen. Nun ist kein Sitz mehr sicher, nicht mal Browns eigener in Schottland.

Außenminister David Miliband war der Erste, der Brown öffentlich kritisierte, wenn auch recht vorsichtig. In einem Artikel im Guardian verlangte er "eine neue radikale Phase", wolle man die nächsten Wahlen gewinnen. "New Labour hat drei Wahlen gewonnen, weil wir echte Veränderungen angeboten haben - nicht nur in unserem politischen Programm, sondern auch mit der Art, wie wir Politik betreiben", schrieb er. "Das bleibt die richtige Basis für die Zukunft." Ohne Brown beim Namen zu nennen, kritisierte Miliband die Richtungslosigkeit seiner Partei. Dann tauchte auch noch ein Memorandum auf, das Blair im Herbst verfasst hat. Darin beschuldigt er Brown, mit seiner "beklagenswerten und fatalen Strategie" Labours Errungenschaften der vergangenen zehn Jahre klein zu reden und den Tories in die Hände zu spielen.

Dass Blairs Memorandum kurz nach Milibands Artikel veröffentlicht wurde, ist kein Zufall. Miliband ist einer von Blairs Schützlingen. Vom linken Parteiflügel kann er daher keine Unterstützung erwarten. Jon Cruddas, der bei den Wahlen zum Partei-Vize voriges Jahr auf dem dritten Platz landete, beschuldigte Miliband eines "narzistischen Strebens nach persönlichem Ruhm" und warnte, dass die Wähler der Labour Party zwar vieles verzeihen würden, aber keinen internen Streit.

Der ist längst ausgebrochen. Drei Kabinettsmitglieder haben es für nötig befunden, in einem Brief an eine Zeitung ihre Loyalität zu Brown zu bekunden. "So etwas passiert keiner starken Führungspersönlichkeit", stellt Professor John Curtice von der Strathclyde-Universität fest. "Das ist ein Zeichen der Schwäche." Browns Anhänger im Kabinett verlangen, den Außenminister zu entlassen. Er habe sich "schändlich und unloyal verhalten", sagte die Abgeordnete Geraldine Smith. "Miliband sollte sich beruhigen und den Mund halten", sagte ein Kabinettsmitglied, das nicht genannt werden wollte. "Außerdem muss er erwachsen werden. Wenn er nicht genug Arbeit hat, sollte man ihm einen anderen Job geben."

Aber Miliband ist nicht der Einzige, der Brown in den Rücken fällt. Andere aus dem Blair-Lager, vor allem der frühere Handelsminister Stephen Byers und Exinnenminister Charles Clarke, bereiten ihre eigene politische Agenda vor. Sie wollen in den kommenden Wochen politische Initiativen zur Lösung drängender Probleme vorstellen, um das "Vakuum in der Regierung" zu füllen. Brown selbst hat sich bisher nicht aus dem Urlaub zu Wort gemeldet. Stattdessen hat er eine Fitnesstrainerin angeheuert, die seine Kondition verbessern soll, als ob er vor einem Boxkampf stünde. Ein verbaler Schlagabtausch könnte ihm freilich blühen, wenn sich das Kabinett nach der Sommerpause am 8. September in den Midlands trifft. Es ist die erste Kabinettssitzung außerhalb Londons seit 1921. Brown will die Regierung dadurch "näher zu den Wählern bringen", sagte sein Sprecher. Zwei Wochen später steht ihm ein turbulenter Parteitag bevor.

Was auch immer geschieht, der Labour Party wird es wenig nützen. Laut einer Umfrage würden 40 Prozent der Befragten nicht mehr Labour wählen, falls Brown gestürzt wird. 38 Prozent würden Labour nicht wählen, falls er im Amt bleibt. Und 42 Prozent tut Brown einfach nur leid. Aber wegen Mitleid ist noch niemand an der Macht geblieben.

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