Selbstbestimmung und Staatsangehörigkeit: Es geht ums ganze Wir

Schnellere Einbürgerungen und einfachere Änderungen des Geschlechtseintrages: Beide Ampel-Gesetzesentwürfe sind ein gutes Zeichen für Deutschland.

Ein Mann in Rock tanzt auf einer menschenvollen Straße

Divers ist Deutschland nicht nur auf dem Christopher Street Day in Berlin Foto: Annegret Hilse/Reuters

Was haben die selbstbestimmte Wahl des Geschlechtseintrags und der deutsche Pass miteinander zu tun? Eine ganze Menge. Es geht um nicht weniger als die Frage, wer zum kollektiven Wir in Deutschland dazugehören soll.

Trans Personen und Migrant*innen: Beide Gruppen erleben hierzulande jeden Tag Diskriminierung, sei es auf dem Wohnungs- oder Arbeitsmarkt, im sozialen Umfeld oder gar in Form von körperlicher Gewalt. Aber beide Gruppen sind Teil dieses Landes, sie existieren mit allen Grundrechten, die dem Menschen zustehen. Insofern ist es längst überfällig, die Rechtslage in Deutschland an die reale Zusammensetzung der Gesellschaft anzupassen.

Menschen den richtigen Geschlechts­eintrag zu verwehren oder den Weg dorthin mühsam und demütigend zu gestalten, ändert nichts an ihrer Geschlechtsidentität. Es schafft nur Leid und Ausgrenzung. Genauso wenig ändern restriktive Einbürgerungsgesetze etwas daran, dass Deutschland ganz und gar kein ethnisch homogenes Gebilde ist – zum Glück. Die deutsche Staatsangehörigkeit wie ein rares Gut zu horten führt nur dazu, dass Millionen von Menschen, die seit vielen Jahren hier leben, nicht voll und ganz an dieser Gesellschaft teilhaben können. Dass Kindern, die hier geboren werden und nie in einem anderen Land als diesem gelebt haben, ohne Not die gleichberechtigte Teilhabe verwehrt wird.

Deutschland ist ein diverses Land, auf vielen Ebenen. Das ist längst Realität, daran ändert auch der populistische Kulturkampf nichts, den viele Konservative gerade in unheiliger Allianz mit den Rechten führen. Es überrascht nicht, dass gerade von rechts erbittert gegen beide Vorhaben angekämpft wird. Denn wie Gesellschaft und Politik mit ihren Minderheiten umgehen; welchen Stellenwert sie der Selbstbestimmung von Menschen zumessen, sagt viel aus über den Zustand der Demokratie in einem Land. Und bei aller berechtigter Kritik, die es an beiden Entwürfen noch gibt: für die deutsche Demokratie sind sie ein gutes Zeichen.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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