Siegerkür in Thüringen vertagt: Viele Optionen für Althaus-Nachfolge

Weder allein noch mit der FDP kann Dieter Althaus (CDU) weiter regieren. Ob sich SPD, Linke und Grüne aber auf einen Ministerpräsidenten einigen können, ist noch offen.

Nur falls die SPD eine Koalition mit der CDU anstatt mit den Linken bevorzugt, muss Althaus nicht aus der Staatskanzlei ausziehen. Bild: ap

ERFURT taz | Als Dieter Althaus am Sonntagabend kurz nach halb sieben mit versteinerter Miene den Thüringer Landtag betritt, brandet Applaus auf. Es wirkt wie Mitleidsapplaus für einen Wahlverlierer. Doch aufgeben will er noch nicht. Während Linke, SPD und Grüne das "System Althaus" als "abgewählt" bezeichnen, gibt sich der CDU-Mann kämpferisch. Im ersten Statement sagte Althaus, er wolle im Amt bleiben.

Doch er wird weder allein noch mit der FDP regieren können. Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis vom späten Sonntagabend zufolge verliert seine Partei fast 12 Prozentpunkte und erreicht nur noch 31,2 Prozent. Zweitstärkste Kraft wird die Linke, die sich auf 27,4 Prozent steigerte, gefolgt von der SPD mit 18,5 Prozent (plus 4 Prozentpunkte). Nach 15 Jahren schaffen es sowohl FDP (7,6 Prozent) als auch Grüne (6,2 Prozent) in den Thüringer Landtag, der damit deutlich bunter wird als bisher.

Sie ist also da, die rechnerische Mehrheit für ein rot-rot-grünes Bündnis im Freistaat. Die Machtspiele beginnen schon am Abend. Wahlsieger Bodo Ramelow (Linke) kündigte an, SPD und Grüne zu Sondierungsgesprächen einzuladen. Obwohl die drei Parteien in vielen inhaltlichen Fragen übereinstimmen, werden die Verhandlungen nicht leicht. Es gibt mehrere Versionen, wie sich SPD, Linke und Grüne in Thüringen einigen und ihre rechnerische Mehrheit in einer Koalition umsetzen können.

Thüringen

CDU 31,2% (-11,8)

Linke 27,4% (+1,3)

SPD 18,5% (+4)

FDP 7,6% (+4)

Grüne 6,2% (+1,1)

NPD 4,3% (+2,7)

Freie Wähler 3,9% (+1,3)

Reps 0,4% (-1,6)

Sitze: CDU 30, Linke 27, SPD 18, Grüne 6, FDP 7.

Die Chancen für Bodo Ramelow, Ministerpräsident zu werden, scheinen schlecht zu stehen. Denn SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie wiederholte im Vorfeld der Wahl und auch in seinen ersten Statements gebetsmühlenartig, dass die SPD keinen Kandidaten der Linken zum Ministerpräsidenten wählt. Nach dem Hessen-Debakel von Andrea Ypsilanti wird es Matschie kaum wagen, Wortbruch zu begehen. Auch die Grünen wollen Ramelow nicht wählen.

Die Linke kann nur auf ein Szenario hoffen, bei dem es in der Thüringer SPD zu internen Auseinandersetzungen kommt. Christoph Matschie könnte ins Aus oder nach Berlin befördert werden und so den Weg für Ramelow als Ministerpräsidenten frei machen.

Möglich wäre auch, dass Ramelow über seinen Schatten springt und auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichtet. Er könnte Matschie den Vortritt lassen und im Gegenzug Superminister werden. Das brächte ihm Sympathiepunkte ein, vermittelte diese Option doch, dass es ihm in erste Linie um Inhalte, nicht um Posten ginge.

Angesichts eines Vorsprunges von zehn Prozentpunkten der Linken vor der SPD scheint diese Variante aber unwahrscheinlich. Die Linke könnte auch einen möglicherweise parteilosen Kandidaten als Landesvater vorschlagen, den auch die SPD ohne allzu großen Gesichtsverlust wählen könnte. Namen sind noch nicht bekannt.

Trotz inhaltlicher Gemeinsamkeiten können die Verhandlungen also an der Postenfrage scheitern. Dann bliebe nur die große Koalition unter CDU-Führung. Die hat die SPD auch am Wahlabend nicht ausgeschlossen. Dafür müssten sich die Sozialdemokraten aber enorm verbiegen, denn nach programmatischen Übereinstimmungen und persönlicher Sympathie zwischen Matschie und Althaus muss man lange suchen. Zudem hätte das einen weiteren Vertrauensverlust der Wähler gegenüber der SPD zur Folge.

Es bleibt also vieles offen in Thüringen. Fest steht bisher nur, dass die Alleinherrschaft von Dieter Althaus beendet ist.

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