Signa in der Krise: Es könnte auch anders kommen

Die nächste Insolvenz Galeria-Karstadt-Kaufhofs scheint nur eine Frage der Zeit. Initiativen drängen auf alternative Nutzungen für die Warenhäuser.

Der Karstadt am Hermannplatz

Der Hermannplatz hat auch eine Zukunft ohne Signa-Neubau Foto: Imago / Joerg Krauthoefer

BERLIN TAZ Mit der Krise des Immobilien- und Einzelhandelskonzerns Signa steht die Signa-Tochter Galeria-Karstadt-Kaufhof mal wieder vor dem Ungewissen. Und die Frage, was mit Galeria passiert, wenn Signa pleitegeht, erhitzt die Gemüter: Während der Senat bekannte Schreckensszenarien von sterbenden Innenstädten und Arbeitsplatzverlust an die Wand malt und an einer Kooperation mit Signa festhält, fordern Opposition und Zivilgesellschaft neue Konzepte für die Warenhausstandorte.

Der wohl prominenteste Streitfall dieser Debatte ist der Hermannplatz. Hier plante Signa eigentlich eine komplette Entkernung und umfassende Erweiterung des Karstadt-Gebäudes, mit einer Rekonstruktion der historischen Art-déco-Fassade des Vorgängerbaus von 1929. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey warnte in der Parlamentsdebatte am Donnerstag vor einem Scheitern des Projekts: „Jeder, der glaubt, der Hermannplatz könne so bleiben, wie er ist, sollte mal da hingehen.“

Die Initiative Hermannplatz fordert hingegen, endgültig mit Signa zu brechen und Warenhausimmobilien wie am Hermannplatz zu vergesellschaften. Der Initiative geht es nicht um Stillstand, sondern um gemeinwohlorientierte Alternativen: Statt eines Warenhauses könne dort ein „Andershaus“ entstehen, sagt Niloufar Tajeri, Architektin und Aktivistin der Initiative. „Es ist eine Utopie, in der man die Nahversorgung anders organisiert – ohne Konzerne, aber mit dem Wohl der Gemeinheit im Sinn.“

Das „Andershaus“ wäre genossenschaftlich organisiert, die Galeria-Beschäftigten würden bei dem Konzept das Warenhaus selbst betreiben. „Jeder Mitarbeitende weiß, welche Abteilung gut läuft und welche nicht und wie Logistikketten funktionieren“, erklärt Tajeri. Dieses Wissen werde bei Signas derzeitigen Top-down-Management kaum beachtet, einer der vielen Gründe für die Krise. Auch wäre das „Andershaus“ nicht nur auf Konsum, sondern auch auf Nachhaltigkeit ausgelegt: So könne man Angebote für Verleih und Reparatur schaffen, schlägt Tajeri vor.

Signa braucht dringend Kapital

Mit ihrer Idee der gemeinwohlorientierten Nutzung der Warenhäuser ist die Initiative nicht allein. Auch die Opposition forderte in ihrem gemeinsamen Antrag am Donnerstag eine Vergesellschaftung und gemeinwohlorientierte Nutzung als Alternative.

Die Stadtentwicklungspolitikerin Katalin Gennburg (Linke) wirbt schon seit der letzten Galeria-Pleite im März für das Konzept der „Sorgezentren“, das viele Ähnlichkeiten mit dem „Andershaus“ besitzt: Nahversorgung ohne Profitorientierung, dazu einfachen Zugang zu Betreuungsangeboten wie Kitas und Altenpflege.

Utopisch blieben solche Ideen vor allem aufgrund der Eigentumsfrage: Ei­gen­tü­me­r:in­nen wie Signa waren nur selten an dieser wenig Profit versprechenden Nutzung ihrer Immobilien interessiert. Doch nun könnte die Krise des Konzerns eine realistische Chance zur Umsetzung bieten.

Um die drohende Insolvenz abzuwenden, braucht Signa dringend frisches Kapital und verkauft daher, was geht. Der Ausverkauf des Unternehmens betrifft auch die Galeria-Standorte. Erwartbar ist, dass Signa auch das Karstadt-Projekt am Hermannplatz verkaufen wird, sobald der Senat dort Baurecht geschaffen hat.

Umstrittener Deal

Das aktuell laufende Bebauungsplanverfahren basiert auf dem „Letter of Intent“ (LOI) genannten Deal aus dem Jahr 2020. Im Zuge der ersten Galeria-Insolvenz gab Signa mehrjährige Bestandsgarantien für vier schließungsbedrohte Filialen. Im Gegenzug sicherte der damals rot-grün-rote Senat zu, die Planungen für die umstrittenen Bauprojekte an den Standorten Hermannplatz, Alexanderplatz und Kurfürstendamm voranzutreiben.

„Wenn ein neuer Investor kommt, wissen wir nicht, was daraus wird“, kritisiert Tajeri. Auch wäre dieser nicht an die Abmachungen des LOI gebunden und hätte kaum Anreize, bei einem Neubauprojekt die Filiale eines Warenhauskonzerns mit einzuplanen, der seit Jahren von einer Insolvenz in die nächste rutscht.

Mit der Aufkündigung des LOI und dem Stopp des Bebauungsplanverfahrens könnte Signa nicht bauen, und es bliebe dem Konzern kaum etwas anderes übrig, als an den Senat zu verkaufen, sagt Tajeri: „Die Senatsverwaltung hat einen Hebel in der Hand, aber sie nutzt ihn nicht.“ Der Senat hält weiterhin an den Vereinbarungen des LOI fest, mit der Begründung, alles tun zu wollen, um die Kaufhäuser samt Arbeitsplätzen zu erhalten.

Wie einfach es gehen kann, zeigte Cottbus im Juli: Die Stadt übernahm die dortige Galeria-Fi­lia­le, nun ziehen dort das Stadtarchiv, der Bürgerservice und Einzelhändler ein.

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