Sinn und Zweck der Bauernproteste: Nichtiger Anlass

Die Proteste sind unangemessen und leisten Rechtsextremisten Vorschub. Dabei geht es eigentlich um Peanuts – und um Prestige.

Menschen stehen rufend in einer Menge

Aufgebrachte Demonstranten auf dem Münchner Odeonsplatz Foto: Anna Szilagyi/epa

Die aktuellen Bauernproteste sind unangemessen. Der durchschnittliche Hof verliert nur etwa 1.700 Euro pro Jahr, wenn die Bundesregierung den Rabatt bei der Energiesteuer auf Agrardiesel streicht. Bei zuletzt im Schnitt 115.000 Euro Gewinn der Haupt­er­werbs­betriebe steht fest: Diese kleine Einbuße wird keinen Hof in die Pleite treiben.

Das Höfesterben hat schon in den 1960er Jahren begonnen. Schon daran lässt sich erkennen, dass seine wichtigste Ursache nicht Subventionsstreichungen oder strengere Umwelt- und Tierschutzvorschriften sind. Denn all das war damals noch kein Thema. Der Grund ist vielmehr, dass die Landwirtschaft vor allem dank neuer Technik so produktiv geworden ist, dass sie mehr Lebensmittel auf den Markt wirft, als die Verbraucher essen können.

Deshalb sind die Preise langfristig gesunken. Um trotzdem noch etwas zu verdienen, senken viele Landwirte ihre Stückkosten, indem sie noch mehr produzieren. Betriebe, die da nicht mithalten können, geben auf – und werden von Konkurrenten geschluckt. Der größte Feind des Bauern ist sein Nachbar, nicht die Bundesregierung.

Um so unverantwortlicher ist, dass Organisationen wie der Bauernverband nun die Wut vieler Landwirte auf die Ampelkoalition schüren. Die Agrarlobby hat aus einem vergleichsweise nichtigen Anlass – den 1.700 Euro jährlich – eine Protestwelle entfacht, die leicht ausufern kann. Rechtsextreme nutzen sie fleißig aus. An mehreren Orten wurden entsprechende Plakate gesichtet – in Wiesbaden zum Beispiel „Tötet Özdemir“, in Berlin „Eure Demokratie ist unser Volkstod“.

Die Extremisten wollen aus dem Protest gegen Subventionskürzungen einen Kampf gegen die Ampel und die liberale Demokratie machen. Der Bauernverband hat solche Ausfälle nicht konsequent verhindert, die Organisation Freie Bauern zeigte sich auf taz-Anfrage sogar ziemlich gleichgültig gegenüber solchen Parolen.

Ihre Kompromisslosigkeit leistet den Rechtsextremen noch weiter Vorschub. Die Ampel will bereits auf rund die Hälfte der ursprünglich geplanten Einsparungen in der Landwirtschaft verzichten. Die Agrardieselsubventionen sollen erst in zwei Jahren ganz wegfallen. Diesen Zuschuss zu streichen ist richtig, weil er dem Klima schadet.

Eigentlich geht es den Organisationen um sich selbst

Doch die Organisationen nutzen die Proteste vor allem für sich selbst. Der Bauernverband will wieder an der Spitze einer Protestbewegung der Branche stehen, diese Rolle hatte er in den letzten Jahren an Gruppen wie „Land schafft Verbindung“ verloren. Die Splitterorganisation der Freien Bauern will Unterstützer gewinnen. Im Interesse der Landwirte ist das alles nicht.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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