Sorgfaltspflichten für Unternehmen: Kinderarbeit bleibt straflos

Der Versuch, eine Mehrheit für die EU-Lieferkettenrichtlinie herzustellen, scheitert erneut. Ratsvorsitz Belgien will sich weiterhin darum bemühen.

Lebensmittel in einem Einkaufswagen vor einem Regal im Supermarkt

Kann Spuren von Zwangsarbeit enthalten: Viele Unternehmen kennen ihre Lieferketten nicht Foto: Matthias Rietschel/ap

BERLIN taz | Zwei Wochen Verhandlungen hinter den Kulissen haben nicht geholfen: Im Ausschuss der Vertreter des Rats konnte am Mittwoch keine Mehrheit für die EU-Lieferkettenrichtlinie gefunden werden. Damit ist die Probeabstimmung gescheitert. Der belgische Ratsvorsitz kündigte aber an, sich weiterhin um eine Mehrheit zu bemühen.

Eine Abstimmung im Rat dazu war Anfang Februar kurzfristig abgesagt worden, nachdem Deutschland angekündigt hatte, sich wegen einer Blockade der FDP enthalten zu müssen. Das gefährdete unerwartet die benötigte qualifizierte Mehrheit im Rat, die 15 EU-Ländern mit einem Bevölkerungsanteil von 65 Prozent entspricht.

Die Richtlinie für unternehmerische Nachhaltigkeit und Sorgfalt, wie sie richtig heißt, soll Unternehmen dazu verpflichten, ihre Lieferketten auf Risiken von Kinderarbeit, Ausbeutung oder Umweltvergehen zu untersuchen. Unternehmen ab 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro müssten dann ihre Lieferketten analysieren und Beschwerdesysteme einrichten. Bei Menschenrechtsverletzung müssten sie sich um Abhilfe bemühen. Bei Verstößen könnten Behörden Strafzahlungen anordnen. Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Zivilorganisationen hätten das Recht, auf Schadenersatz zu klagen.

FDP und Wirtschaftsverbände kritisieren die Vorgaben als bürokratisch und zeigten sich am Mittwoch entsprechend erleichtert. Marie-Christine Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer, plädierte für „eine praktikablere und effektivere Regulierung“ in der nächsten Legislaturperiode.

Die Zeit rennt: im Juni wird das EU-Parlament neu gewählt

Enttäuschung äußerten Ver­tre­te­r*in­nen aus der Zivilgesellschaft. „Heute ist ein schlechter Tag für den Schutz der Menschenrechte und unseres Planeten“, kommentierte eine Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz und forderte ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Große Unternehmen wie Aldi Süd, Bayer, Primark, Mars, Tchibo, KiK und Ritter Sport hatten am Dienstag vor der Abstimmung ihre Forderung wiederholt, mit der EU-Richtlinie Wettbewerbsgleichheit in Europa zu schaffen. Die Vorgaben seien „angemessen und umsetzbar“, schrieben sie in einer gemeinsamen Mitteilung.

Groß war die Enttäuschung am Mittwoch auch bei der EU-Abgeordneten Lara Wolters (S&D), die den Verhandlungsprozess für das Parlament geführt hat. In über zwei Jahren zähen Verhandlungen schaffte sie es am Ende, die Zustimmung auch der konservativen und liberalen Fraktionen im Parlament zu bekommen. In den Trilogverhandlungen mit der Kommission und Rat wurde der Text weiter abgeschwächt, zuletzt erreichte Frankreich, dass der Finanzsektor von den Regeln ausgenommen wird.

Im Dezember vergangen Jahres verkündete Wolters dann zusammen mit dem damaligen Ratspräsident Gonzalo García Andrés und Justizkommissar Didier Reynders den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen. Dass kurzfristige „Zurückrudern von Verpflichtungen“ nannte Wolters am Mittwoch eine „große Empörung“ und Vertrauensverlust. „Ich bin zutiefst enttäuscht über das unverantwortliche Vorgehen der FDP“.

Die Zeit für eine Einigung drängt, denn im Juni wird das EU-Parlament neu gewählt und rechte Kräfte könnten zunehmen. Die Ratspräsidentschaft will die Einwände der Mitgliedsstaaten prüfen und versuchen, „Bedenken in Absprache mit dem Europäischen Parlament auszuräumen“, teilte die Ratspräsidentschaft mit. Wie zuvor sei sie bereit zu weiteren Verhandlungen, sagte Wolters.

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