Spaß-Regatta in Lübeck: Endlich wieder Eisarsch!

Nach zwei Jahren Ausfall wegen Corona fand der Lübecker Segelwettbewerb am Wochenende wieder statt. Erst seit 2019 dürfen Frauen antreten.

Segelboote auf der Wakenitz

Die Seg­le­r*In­nen der 54. Eisarschregatta auf der Wakenitz Foto: Sebastian Ridder

LÜBECK taz | Das Wetter wird der Veranstaltung gerecht. Bei 0 Grad, die sich anfühlen wie Minus 3 Grad ziehen und knoten 20 Menschen am Tauwerk ihrer Segelboote der Optimistenklasse. Unter Ihnen ist Clara Weimer. Die 26-jährige Studentin nimmt zum ersten Mal an der Eisarsch-Regatta teil. „Läuft Eins-A!“ antwortet sie verschmitzt grinsend auf die Frage, wie die Vorbereitungen zwei Stunden vor dem Start laufen. Moralische Unterstützung erhält sie von zwei Freunden der Familie und ihrem Vater, der die Regatta auch einige Male mitsegelte.

Die Kultveranstaltung des Lübecker Yacht Clubs findet jährlich bereits seit 1969 statt. Nur die Pandemie, ein Zufrieren der Wakenitz oder absolute Windstille konnten die Veranstaltung bisher verhindern. Die 54. Eisarschregatta findet trotz mageren Windes statt. „Hier auf der Wakenitz mit Land und Bäumen um den Fluss kann sich der Wind nicht so frei entfalten wie auf der Nord- oder Ostsee. Das macht die Regatta zum Teil auch zu einem Glücksspiel“, erklärt Weimer.

Das sind spannende Bedingungen für den begehrten „Eis­arsch“ sowie weitere Auszeichnungen, die es bei der Regatta zu gewinnen gibt. Die rosa Plastiktrophäe, eine Wanderpokal in Form eines Kinderpopos, ist umrahmt von Holz mit kleinen Schildern bisheriger Gewinner. Wie die taz berichtete, handelt es sich bei dem 1971 gestifteten Preis um den Abguss des Popos eines Sohnes der damaligen Organisatoren. Inzwischen ist er selbst begeisterter Teilnehmer der Regatta.

Allein diese Trophäe dürfte Grund genug sein für die 55 Teil­neh­me­r*In­nen dieses Jahres, darunter acht Frauen, ihre Hintern den kalten Böden ihrer kleinen Boote auszusetzen. Normalerweise benutzen Kinder und Jugendliche diese Bootsklasse, um Segeln zu lernen. Clara hat sich ihr Boot vom Yachtclub Lübeck geliehen. Mit sechs Jahren ist sie mit ihrem Bruder dem Yachtclub beigetreten, das Boot, mit dem sie jetzt an dem Rennen teilnimmt, ist das, auf dem sie damals anfing.

Heute will sie mit der „Muckla“ gewinnen: „Mit dem Boot bin ich verbunden. Ich hab es mir gewünscht für die Regatta.“

Teilnehmerin verkleidete sich als Weihnachtsmann

Clara wollte bereits 2019 mitsegeln, als zum ersten Mal auch Frauen offiziell teilnehmen durften. Damals galt jedoch noch eine Altersbeschränkung von mindestens 25 Jahren, und Clara war erst 23. Heute dürfen Frauen und Männer ab 21 Jahren teilnehmen.

Die erste Frau bei der Eis­arschregatta, Heike Gercken, fuhr allerdings schon 2008 mit. Die Jugendtrainerin des Neustädter Segelvereins mischte sich damals unter die als Weihnachtsmänner verkleideten männlichen Segler. So sahen die meisten Teilnehmer bei dem Rennen aus, das in diesem Jahr auf den sechsten Dezember fiel.

Ihren Namen schrieb sie undeutlich auf die Anmeldung, sodass er als „Heiko Gercken“ gelesen wurde Als sie im Ziel ankam, legte sie den Nikolausmantel ab und stand mit weißem Engelsgewands da. Die Aktion wurde von den Veranstaltern akzeptiert, aber auch zu einem einmaligen Ereignis erklärt.

Obwohl es vorher schon Anfragen von weiblichen Seglerinnen gab, sollte es noch elf Jahre dauern, bis diese auch zur Eis­arschregatta zugelassen wurden. „2019 hat der Yachtclub sein 50-jähriges Jubiläum gefeiert. Das war der Anstoß für eine neue Generation, in der auch Frauen bei unserer Eisarschregatta mitsegeln konnten“, sagt der Pressesprecher der Travemünder Woche, Ralf Abratis, der sich auch bei der Eisarschregatta um die Pressearbeit kümmert.

Warum die Beschränkungen nicht schon früher aufgehoben wurden, kann Clara nicht erklären. Sie sei glücklich, überhaupt dabei zu sein, sagt sie.

Kreisen um die Startlinie

Samstag, 30 Minuten vor dem Start. Clara Weimer lässt ihre Muckla ins Wasser. Sie trägt mehrere Schichten Kleidung, eine Bommelmütze, eine Schwimmweste und eine Digitaluhr, damit sie rechtzeitig startet.

Bevor es losgeht, kreist sie wie die anderen Teil­neh­me­r*In­nen auch hinter einer gedachten Startlinie, die später beim Start von einem Motorboot abgefahren wird. Für die Seg­le­r*In­nen geht es darum, hinter dieser Linie eine gute Position mit genügend Wind für einen gelungen Start zu erkämpfen.

Clara gelingt kein sehr guter Start. Sie habe sich für die falsche Seite entschieden, sagt sie nach dem Rennen, und nicht damit gerechnet, dass das Motorboot so schnell abfahren würde.

Clara Weimer in ihrem Boot

Nicht als Erste, aber zufrieden segelt Clara Weimer mit ihrer Muckla ins Ziel ein Foto: Udo Ott/LYC

Dennoch holt sie im Verlauf der Regatta einige Plätze auf. Aufgrund des launischen Windes sind viele Wendemanöver nötig, gelegentlich muss Clara auf besseren Wind warten. In solchen Notlagen, das hatte sie bereits vor dem Rennen mit einem Lachen gesagt, bleibe nur noch Beten übrig.

Für die Zu­schaue­r*In­nen ist es nicht einfach, vom Ufer aus den Überblick zu behalten. Die Boote sind auf der Wakenitz weit verstreut. Bei den Bojen, die die Rennstrecke markieren, stauen sie sich, und es zu kommt zu kleinen Zusammenstößen.

Um den ersten Platz konkurrieren die weit vorne liegenden Segler Mathias Düwel und Nikolaus Mattig. 45 Minuten nachdem Start kann Düwel das Rennen auf den letzten Metern für sich entscheiden. Bei der Siegerehrung hebt er glücklich seine Eisarschtrophäe hoch.

Clara wird mit dem 26. Platz immerhin drittbeste unter den Frauen. Bei ihren bisherigen Regatten habe sie noch nie einen ersten Platz gewonnen, sagt sie. Den Spaß hat ihr das aber noch nicht verdorben: „Etwas Ehrgeiz ist natürlich immer dabei, aber gerade gilt: Dabei sein alles.“

Dass ihr das Segeln großen Spaß macht, zeigt auch ihr Berufswunsch: Clara studiert in Flensburg Nautik und möchte Kapitänin werden. „Es war eine spontane Idee, zu der mich eine Freundin bewegt hatte.“

Die Frage, was ihr lieber wäre: freie Schiffswahl als Kapitänin oder ein Mal den Eisarsch gewinnen, beantwortet Clara nach kurzem Nachdenken so: „Vom Job hat man länger etwas.“ Aber beim Eisarsch werde sie es immer wieder versuchen.

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