Spielsucht in Deutschland: Ein Atlas als Diskussionsgrundlage

Der Glücksspielatlas sammelt erstmals Fakten zum Thema. Das Ziel für den Suchtbeauftragten der Bundesregierung: Mehr Prävention und politischer Druck.

Ein Mann sitzt vor Spielautomaten und trinkt

Abgetaucht in der Daddelhölle: Den höchsten Ertrag erzielten 2022 Glücksspielautomaten Foto: Tim Schulz/imago

BERLIN taz | Um Spie­le­r*in­nen zu schützen, wurde zwar einiges getan, aber die Hilfen sind ausbaufähig. Dabei werde der Glücksspielatlas helfen, sagt Burkhard Blienert (SPD), der Beauftrage der Bundesregierung für Suchtfragen. Gemeinsam mit Forschenden und der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen stellte er am Montag den Atlas vor.

Das Heft besteht aus mehr als hundert Seiten bunter Diagramme, Zahlen und Definitionen zum Glücksspiel in Deutschland. Genauer gesagt: zur Sucht danach. Gemessen an den gesundheitlichen Kriterien sind etwa 1,3 Millionen Menschen in Deutschland betroffen. Der Atlas sei „eine gute Grundlage für die Diskussion über den richtigen Umgang mit dem Glücksspiel und seinen Folgen“, sagt Blienert. Bisher habe das gefehlt, selbst Po­li­ti­ke­r*in­nen wüssten oft nicht Bescheid.

Herausgegeben wird der Atlas vom Institut für interdisziplinäre Suchtforschung in Hamburg, der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen und der Universität Bremen. Laut Atlas spielten 2021 insgesamt 30 Prozent der 16- bis 70-Jährigen in Deutschland und gaben 44,1 Milliarden Euro für legale Angebote aus. Zwar machen Sportwetten und Online-Automaten einen immer höheren Anteil aus, aber 2022 erzielten immer noch Geldspielautomaten die höchsten Bruttoerträge.

Wenn es um Glücksspielsucht geht, ist es noch komplexer. Das Suchtrisiko ist bei den Angeboten unterschiedlich hoch. Außerdem sind nicht nur die Spie­le­r*in­nen selbst betroffen, sondern auch ihr Umfeld, von dem sie sich zum Beispiel Geld zum Spielen besorgen.

Kinder und Jugendliche besser vor Werbung schützen

Was die Studienlage über präventive Schutzmaßnahmen sagt, steht ebenfalls im Atlas. Wirksam ist demnach, dass Spie­le­r*in­nen sich selbst vom Spiel sperren lassen können. Für risikoreiches Glücksspiel gibt es in Deutschland die übergreifende Sperrdatei OASIS. Dort stehen derzeit mehr als 228.000 Namen drin, wie die zuständige Behörde der taz bestätigt. Mehr als 90 Prozent davon ließen sich selbst sperren.

Die Zahlen des Atlas sind allerdings nicht tagesaktuell. So geht die Zusammenstellung beispielsweise von „etwa 1,3 Millionen Betroffenen mit einer glücksspielbezogenen Störung“ aus und bezieht sich dabei auf eine Umfrage von 2021. Allerdings: Tatsächlich gibt es keine neueren Zahlen, denn die Förderung für unabhängige Forschung ist schwierig. Auch der illegale Markt ist derzeit noch schwer zu fassen, und es gibt kaum wissenschaftliche Erkenntnisse dazu.

Zu den wichtigen politischen Themen gehört für den Suchtbeauftragten Burkhard Blienert die Glücksspielwerbung, zum Beispiel für Sportwetten vor und während Fußballspielen. Diese Werbung ist zwar bereits reglementiert, aber Blienert würde sie künftig erst nach 23 Uhr erlauben wollen. Der Grund: Kinder und Jugendliche sollen so besser vor solcher Werbung geschützt werden.

Doch warum setzt der Beauftragte der Bundesregierung für Suchtfragen das nicht um? Tatsächlich ist die Bundesregierung bei diesem Thema nicht am Zug. Wann Glücksspiel in Deutschland legal ist, das regeln die Bundesländer. Doch die waren am Montag nicht dabei.

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