Sportkritik und Fußball-WM: Freiheit, die von der Fifa kommt

Die WM in Australien und Neuseeland hat gezeigt, wie gerne sich der Fußballweltverband als progressive NGO inszeniert. Indigene waren oft ein Accessoire.

Spanische Fans in Australien

Echte Glücksgefühle: Spanische Fans in Australien Foto: Andrew Cornaga/ap

Die WM ist aus, und nach allen Regeln des Business ist sie ein großer Erfolg gewesen. Gut, nicht für Deutschland. Alles, was nun aus vielstimmigen Leaks nach außen dringt – von Kritikverboten und fehlender Kommunikation, von unklarer Taktik und fehlender Wertschätzung – lässt Schlechtes ahnen für den deutschen Fußball. Schaurig vor allem, dass einer internen Ansprache offenbar keine Aussicht auf Erfolg beigemessen wird.

Dem Rest der Welt und der Fifa kann es gleich sein. 570 Millionen Dollar hat der Weltverband nach eigenen Angaben eingenommen, man habe die Gewinnschwelle erreicht. „Ich sage allen Frauen, dass sie die Macht haben, etwas zu verändern“, sagte Infantino gönnerhaft in seiner Abschlussrede. „Die Türen bei der Fifa sind offen. Wir sind immer für Sie da.“

Wir sind ein Asset geworden. Feminismus ist mit diesem Turnier im Fußball ein Asset geworden; im Sommer des Barbie-Hypes wenig überraschend, dass jetzt auch ein Fifa-CEO Millionen mit dem Kampf gegens Patriarchat macht. Australien ist eh gut darin, Bewegungen zu Assets zu machen.

In Sydney an der Oxford Street zieren Regenbogenflaggen quasi jeden Laden. Es ist ein Reiche-Leute-Viertel mit vielen weißen Gesichtern; eines, wo meine Vermieterinnen, ein lesbisches Paar, beide berufstätig, zwei ihrer Zimmer untervermieten müssen, um die Miete stemmen zu können. Dafür können sie draußen Designerklamotten kaufen, die mit Regenbogenflügeln verziert sind. Kaufe Gleichberechtigung.

Indigene als Schmuck hergehalten

Ein Accessoire waren oft auch Indigene. Überall bei der WM First Nations Flaggen und Tänze, während die Gemeinten kaum zu sehen waren: Nach Angaben der National Rural Health Alliance ist nur ein Prozent der Bevölkerung in großen Städten indigen, aber 45 Prozent der Bevölkerung in sehr abgelegenen Gebieten, viele in bitterer Armut.

Aber Armut taugt nicht als Asset. Bunt soll man sein, doch zahlen muss man schon. Im Fußball der Frauen wird diese Kapitalisierung entweder bejubelt oder (auffällig oft durch Männer) beklagt: Nun werde alles wie bei den Männern. Beide Fraktionen nerven. Ein armer kapitalistischer Fußball der Frauen war nicht besser als ein reicher. Egal, was wir kaufen, es löst kaum Probleme. An einer Bushaltestelle wirbt ein Plakat für eine antikapitalistische Konferenz in Sydney, just am Finalwochenende.

Es gibt Bilder von Regenbogensocken („Warum wir uns nicht zur Befreiung kaufen können“) und einen verlinkten Artikel („Wenn ethischer Konsum etwas verändern würde, würden sie ihn verbieten“). Aber ganz so einfach natürlich ist es nicht. Für die Spielerinnen, die mit der WM ihren Lebensunterhalt sicherten, für viele nun begeisterte Jungs und Mädchen, für viele australische Amateurteams auf der Suche nach Sponsoren bringt diese WM durchaus eine Befreiung. Nur mit echter Freiheit verwechseln sollte sie niemand. Zur Konferenz will ich dann doch nicht, keine Zeit. Man bezahlt mich, diese Kolumne zu schreiben.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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