Stadtentwicklungspolitik: Palastrevolte bei den Sozialdemokraten

Ein Bündnis aus Politik und Wissenschaft kritisiert die Stadtentwicklungspolitik von Rot-Rot. Mittes SPD-Baustadtrat Ephraim Gothe hat mit eingestimmt.

Seit Jahren für die Stadtentwicklungspolitik zuständig: Ingeborg Junge-Reyer. Bild: dpa

Ephraim Gothe weiß um die Bedeutung von Symbolen. Geht es um die Platzgestaltung am Alex, lädt der SPD-Baustadtrat von Mitte zum Pressetermin auf den Fernsehturm. Den Protest gegen Baumfällungen am Gendarmenmarkt beendete er mit einem Bürgervotum - die Bäume blieben stehen. Am Dienstag nun nahm Gothe neben der grünen Stadtentwicklungsexpertin Franziska Eichstädt-Bohlig Platz. Anlass des symbolischen Termins: heftige Schelte für die Stadtentwicklungspolitik des rot-roten Senats.

Die Kritik war beinahe gleich lautend: "Wir haben uns zusammengesetzt, um zu fragen: Was kann und muss verbessert werden in der Berliner Stadtentwicklungspolitik." Sagte Franziska Eichstädt-Bohlig. "Der Stadtentwicklung wird nicht die Bedeutung beigemessen, die sie hat." Sagte Ephraim Gothe. Auch Thomas Flierl, für die Linke einmal Amtsvorgänger von Gothe, wollte etwas sagen. Nur hat er einen Flieger verpasst und konnte nicht zu diesem außergewöhnlichen Bündnis mitten im Wahlkampf kommen.

Mit von der Partie war dagegen Harald Bodenschatz. "Wir wollen uns als Wissenschaft nicht darauf beschränken, die Wahlprogramme der Parteien zu bewerten", sagte der Professor für Stadtplanung an der TU Berlin. Vielmehr wolle man die Initiative ergreifen, um auf die vielen Planungsdefizite der Politik hinweisen. Dazu gehörten fehlende Prioritätensetzung ebenso wie mangelndes Engagement in der Wohnungspolitik oder eine Strategie für die Großsiedlungen.

"Die politischen Parteien haben keine Visionen für die Stadtentwicklung und keine Konzepte, wie sie diese umsetzen können", schreibt Bodenschatz darüber hinaus in einem Memorandum, das am Freitag auf einer Podiumsdiskussion vorgestellt wird. Eingeladen dazu hat die Gruppe Think Berlin, in der sich Bodenschatz, TU-Studierende, Eichstädt-Bohlig, Gothe und Flierl zusammengeschlossen haben. Mitunterzeichner des Memorandums ist auch Engelbert Lüdke Daldrup. Der ehemalige Staatssekretär im Bundesbauministerium gilt manchem als Wunschkandidat für den Posten des Stadtentwicklungssenators.

Auf der Pressekonferenz im Vorfeld der Tagung betonte Gothe, dass seine Kritik nicht an Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gerichtet sei. "Ich wünsche mir vielmehr manchmal mehr Unterstützung für ihre Positionen im Senat", sagte Gothe in Anspielung auf die Liegenschaftspolitik, bei der allzu oft der Finanzsenator das letzt Wort hat. Gleichwohl ließ Gothe keinen Zweifel daran, dass er Handlungsbedarf sieht: "Seit der Fertigstellung des Hauptbahnhofs denken alle, die Stadt sei fertig", sagte Gothe. "Das ist ein großer Fehler."

Wo die Defizite liegen, fasste Eichstädt-Bohlig zusammen: "Der Senat beschließt eine Internationale Bauausstellung, ohne darüber zu diskutieren, und die Stadtplanung ist bloßer Dienstleister für Investoren geworden."

Dass eine Grüne solche Kritik formuliert, ist nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich dagegen ist, dass ein Sozialdemokrat sie unterschreibt. Schließlich tragen für das, was da vermeintlich schief läuft, alleine SPD-Politikerinnen die Verantwortung: Junge-Reyer als Senatorin, Regula Lüscher als Senatsbaudirektorin, Hella Dunger-Löper und Maria Krauzberger als Staatssekretärinnen. Eine Männerrevolte im Frauenpalast? Eher der Mahnruf eines Praktikers gegen allzu große Selbstgewissheit.

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