Steuerskandal Warburg: Steuer-Chefin rechnete mit Ärger

Leiterin der Hamburger Steuerverwaltung hat sich früh auf Untersuchungsausschuss eingestellt. Vermutungen über teuflischen Plan einer Finanzbeamtin.

Peter Tschentscher und Olaf Scholz bei der Trauerfeier für Uwe Seeler im Volksparkstadion

Worüber sie wohl miteinander sprechen? Bürgermeister Peter Tschentscher (l.) und Kanzler Olaf Scholz Foto: Christian Charisius/dpa

Der Leiterin der Hamburger Steuerverwaltung war früh klar, dass es zur Behandlung der Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Hamburgischen Bürgerschaft geben könnte. „Egal wie wir entschieden hätten, wir hätten immer ein Problem gehabt“, sagte die inzwischen pensionierte Angela Nottelmann am Dienstag vor dem Ausschuss. Vor dem Gremium kam auch der in einem Chatverlauf erwähnte angebliche teuflische Plan der Finanzbeamtin Daniele P. zur Sprache, die sich für die Bank eingesetzt hat.

Der Ausschuss soll die Frage klären, ob die damalige Senatsspitze, Finanzsenator Peter Tschentscher und Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD), die Steuerverwaltung veranlasst haben, die Bank zu schonen. Bei Cum-Ex handelt es sich um Aktiengeschäfte, die nur deshalb getätigt wurden, um den Fiskus auszunehmen. Dabei ließen sich die Beteiligten einmal gezahlte Steuern mehrfach erstatten. Der Schaden beläuft sich allein in Deutschland auf schätzungsweise zehn Milliarden Euro.

Die Ausschusssitzung, bei der ehemalige Mitarbeiter der Finanzbehörde zum zweiten Mal befragt wurden, drehte sich um eine Zusammenkunft von Mitarbeitern des Finanzamtes für Großunternehmen sowie der übergeordneten Finanzbehörde am 17. November 2016. Für die Sitzung hatte Daniela P. eine 29-seitige Vorlage erstellt. Darin wird der Fall ausführlich diskutiert mit einer klaren Tendenz, dass die Warburg 2009 bis 2011 erstatteten Kapital­ertragssteuern auf Cum-Ex-Geschäfte zurückgingen und zurückgefordert werden sollten.

„Auch wenn das Finanzamt in rechtlicher Hinsicht diverse Probleme sieht, die Erfolgsaussichten eines evtl. finanzgerichtlichen Verfahrens nur als ausgeglichen angesehen werden und die Auswirkungen für die Warburg Bank erheblich sind, so bittet das Finanzamt um Zustimmung“, heißt es am Schluss des Dokuments.

Das von P. verfasste Schreiben ging am 7. Oktober bei der Finanzbehörde ein. Wie jetzt deutlich wurde, vertrat P. bei der Sitzung fünf Wochen später schon eine andere Meinung, wie zwei Zeugen berichteten – und das, obwohl neu aufgetauchte Erkenntnisse etwa der Kölner Staatsanwaltschaft eher die in der Vorlage vertretene Position bekräftigten.

Löcher in der Aktenführung

„In der heutigen Sitzung wurden die Konturen des ‚teuflischen Plans‘ deutlich“, kommentiert Norbert Hackbusch, Obmann der Linksfraktion im Ausschuss. „Erst wird ein Vermerk verfasst, dass geraubte Steuermillionen zurückgefordert werden müssen. Anschließend initiiert die Beamtin ein Treffen mit der übergeordneten Behörde und argumentiert dort gegen ihren eigenen Bescheid.“ Hackbusch vermutet, dass dieses Vorgehen „von ganz oben abgesegnet und mitgetragen“ worden sei.

Klar war, dass es sich um einen brisanten Fall handelte, allein schon wegen der Größe und weil es sich um ein traditionsreiches Unternehmen gehandelt habe, wie ein Behördenmitarbeiter sagte. „Der Fall war untypischerweise schon lange Gegenstand von Presseberichterstattung und die ging in eine bestimmte Richtung“, sagte die Leiterin der Steuerverwaltung, Nottelmann. „Wir waren dabei, eine andere einzuschlagen.“ Die dreiseitige Zusammenfassung des Sitzungsergebnisses ließ sie deshalb von allen Sitzungsteilnehmern unterzeichnen. Ein Protokoll der Sitzung gibt es nicht.

Nottelmann sagte, sie habe ihre Mitarbeiter angewiesen, diesen Fall besonders sorgfältig zu dokumentieren. Zwei weitere Zeugen erinnerten sich nicht an einen solchen Hinweis. „Es war Usus in der Finanzbehörde, dass sämtliche fallrelevante Mails gespeichert werden“, erinnerte sich der Zeuge Michael W.

Umso erstaunlicher fanden Ausschussmitglieder den Hinweis der Kölner Staatsanwaltschaft, es gebe eine Diskrepanz zwischen der Zahl der Termine zu dem Fall und dem Umfang des Mail-Verkehrs. „Die riesigen Löcher in der Aktenführung 2017 legen allerdings den Schluss nahe, dass einige Mitglieder der Finanzbehörde in Sachen Gewissenhaftigkeit gänzlich andere Schlüsse aus dieser Aussicht gezogen haben“, kommentierte David Stoop von der Linken.

Der Untersuchungsausschuss sollte eigentlich mit einer zweiten Befragung des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz am Freitag kommender Woche enden. Die CDU möchte den Untersuchungsauftrag jedoch gern erweitern. Beschlossen wurde die Ladung der Person, die die Chat-Nachricht mit dem Verweis auf den teuflischen Plan erhalten hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.