Straßenbahnstrecke zum Ostkreuz: Die Tram kommt – in Zeitlupe

Der Neubau einer Straßenbahn-Teilstrecke in Friedrichshain zieht sich wie Kaugummi: Die erneute Auslegung der Unterlagen verspätet sich noch mehr.

Lichter des Bahnhofs Ostkreuz im Dunkeln

Noch ist für die Tram nicht der Zug abgefahren Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

BERLIN taz | Der Bahnhof Ostkreuz ist einer der deutschen Bahnhöfe mit den meisten Halten: Fern-, Regional- und S-Bahn-Züge stoppen hier. Die Anbindung an den Nahverkehr in Form von Straßenbahn und Bus ist dagegen ziemlich bescheiden: Auch noch lange nach der Sanierung des Knotenpunkts müssen Fahrgäste mehrere hundert Meter bis zu den nächsten Haltestellen in der Boxhagener und der Marktstraße laufen. Ändern soll sich das durch die Verlegung der Tramlinie 21. Die verliefe dann durch die Friedrichshainer Sonntagstraße und führte direkt am Bahnhof vorbei.

Allerdings scheint ein Fluch auf diesem scheinbar simplen Projekt mit rund 1,2 Kilometern Neubaustrecke zu liegen. War die Inbetriebnahme irgendwann einmal für 2016 vorgesehen, steht nun sogar das aktuelle Zieljahr 2026 auf der Kippe. Denn die mittlerweile dritte öffentliche Auslegung der Planungsunterlagen verzögert sich immer mehr.

Laut Antwort der Senatsmobilitätsverwaltung auf eine Anfrage des verkehrspolitischen Sprechers der Linksfraktion, Kristian Ronneburg, wird es nun frühestens nach Ende der Sommerferien soweit sein. Auf der Seite der Verkehrsverwaltung ist immer noch die Ankündigung zu lesen, die Dokumente würden im vierten Quartal 2021 (!) ausgelegt.

Dass die Beteiligung der Öffentlichkeit überhaupt ein drittes Mal notwendig wird, liegt daran, dass nach der ersten Auslegung Anfang 2018 fast 900 Einwendungen eingingen – vor allem unter Bezug auf den Lärmschutz. Wie die Verwaltung unter der damaligen Senatorin Regine Günther (Grüne) dann feststellen musste, waren viel mehr Menschen von der neuen Streckenführung betroffen, als das ursprüngliche Lärmschutzgutachten angenommen hatte. Unter anderem, wie es hieß, wegen „zahlreicher Nachverdichtungen durch den Ausbau von Dachgeschossen“.

Die zweite Auslegung fand dann Anfang 2021 statt. Leider hatte sie rechtlich keinen Wert, denn wie sich später herausstellte, fehlten Unterlagen in der Onlineversion. Dass die dritte Runde immer noch auf sich warten lässt, liegt auch an zwischenzeitlich aufgetauchten und nun immerhin fast gelösten Problemen: Aus Sicht der Feuerwehr hätte es zu wenig Platz für Rettungsarbeiten in der schmalen Sonntagstraße rund um die geplante Tramhaltestelle gegeben.

Laut der Antwort an Ronneburg hat die BVG nun zwei Varianten mit der Feuerwehr abgestimmt – eine „Portallösung mit einer festen Stromschiene“ im Bereich der Haltestelle und eine zweite mit einer „fest verspannten Fahrleitung mit einer Abschaltautomatik“. Die Senatsverwaltung bevorzugt Letzteres.

Mobilisierte BürgerInnen

Aktuell prüft die BVG nach eigenen Angaben noch eine Variante der Streckenführung, „die den Eingriff in den Baumbestand weiter reduzieren kann“. Sollte die Auslegung tatsächlich noch im dritten Quartal dieses Jahres erfolgen, wird es aber wohl auch diesmal zu vielen Einwendungen kommen – in der Sonntagstraße mobilisiert eine BürgerInneninitiative seit Jahren gegen das Projekt.

Linken-Politiker Ronneburg sieht sogar noch ein weiteres Problem aufziehen: „Pleiten, Pech und Pannen im Planungsverfahren können dazu führen, dass die Altstrecke kurz vor ihrer Stilllegung für viel Geld erneuert werden muss“, sagte er dem Neuen Deutschland. Die Altstrecke auf der Boxhagener Straße ist nämlich stark abgenutzt und sollte idealerweise bis zur Eröffnung der neuen Trasse durchhalten. Laut der Antwort auf seine Anfrage sieht die BVG die Betriebssicherheit nur noch für drei Jahre gesichert, „soweit nicht Materialermüdungen bzw. andere Faktoren diese Zeitspanne verkürzen“.

Regelrecht aufgebracht ist Jens Wieseke, Sprecher des Fahrgastverbands IGEB. Der taz gegenüber sagte er, er habe in den vergangenen Jahren den politischen Willen vermisst, die Neubaumaßnahme wirklich voranzutreiben. Gegen die „Not in my backyard“-Mentalität vieler AnwohnerInnen hätte er sich ein „entschlossenes Vorgehen der beiden Herrmanns gewünscht“. Er könne sich nicht erinnern, dass Monika oder Clara Herrmann, die vorige und die aktuelle grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, auf einer öffentlichen Veranstaltung Klartext pro Straßenbahn geredet hätte.

Der Bezirk solle sich nicht damit rausreden, dass in diesem Fall die Landesebene die Entscheidungen trifft, so Wieseke. Mehr politischer Druck könne immer etwas bewegen. Dass die neue Strecke bei vielen AnwohnerInnen unbeliebt sei, sehe er auch – „aber es geht um zehntausende Menschen, die von einer wesentlich besseren Anschließung profitieren werden.“

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