Streit auf dem Spielplatz: Hartes Zeug

Unsere lieben Kleinen haben mit dem Bösen nichts zu tun. Oder? Eine fiktive Spielplatz-Begegnung zwischen zwei Mädchen und ihren Müttern.

Zwei nicht besetzte Schaukeln auf einem Spielplatz

Ruhe nach dem Sturm: Auf Spielplätzen kann es heftig zur Sache gehen Foto: dpa / Matthias Hiekel

„Verschwinde aus Deutschland!“, brüllt das blonde Mädchen das andere blonde Mädchen auf dem Spielplatz an. – „Verschwinde du doch aus Deutschland!“– „Geh du doch ins schwarze Loch!“ – „Verpiss du dich aus dem Universum!“ – „Verpiss du dich noch weiter!“ –„Weiter gibt es gar nicht, du bist voll dumm!“ – „Nee, du bist voll dumm, verschwinde dahin, wo du hergekommen bist!“ – „Geh doch selber dahin, wo du hergekommen bist!“

„Ich komm aus meiner Mutter!“ – „Ich impf deine Mutter!“ – „Die ist schon geimpft!“ – „Meine ist schon dreimal geimpft!!“ –„Mein Vater schon viermal und der hatte zweimal Corona!“ – „Mein Bruder hatte schon dreimal Corona, mit Symptomen!“ –„Meine Mutter hatte voll lange Long Covid!“

„Ey, ertrink doch im Giftfluss!“ – „Erfrier doch im Winter!“ – „Du erfrierst auf jeden Fall nicht im Winter, weil ich vorher ’ne Atombombe auf dich werfe!“ – „Nee, ich drück den Knopf zuerst und dann bist du voll vor mir tot!“

Die beiden rasen aufeinander los. Eine junge Frau geht dazwischen und ruft: „Stopp! Hallo!! Wer ist denn hier verantwortlich?!“

Zwei Mütter, die hinterm Zaun Yoga gemacht haben, kommen angerannt: „Mathilda! Greta! Einatmen, ausatmen, ihr Süßen, was ist denn überhaupt los?“

Die junge Frau sagt: „Ihre Mädchen sagen schlimme, wirklich schlimme Sachen!“ – Eine Mutter wendet mit einem Ruck den Kopf und zischt: „Ach ja?! Meine Güte, das sind doch Kinder!“

Die andere fragt: „Was denn für Sachen?“ – „Na ja, lauter so abgründige Sachen dieser Zeit!“ – „Na und? Was meinst du Britta, ist das schlimm, wenn Kinder drüber reden?“ – „Nee, Tanja, ist doch wunderbar, dass sie ihren eigenen Umgang mit dem Zeitgeist haben!“

Rassistisch? Ausgeschlossen

„Aber sie haben jetzt nicht irgendwie konstruktiv diskutiert, sondern …“ –„Sondern was!?!“, rufen Britta und Tanja. –„Sich gegenseitig so richtig fertig gemacht.“ – „Ach ja, womit denn?“ – „Das will ich hier jetzt nicht reproduzieren, aber da war echt hartes Zeug dabei, auch rassistisches Zeug.“

„Rassistisch?!“, ruft Britta, „ausgeschlossen, die Mädchen sind doch beide biodeutsch de luxe, wie soll’n die sich rassistisch angeh’n?“ – „Und woher sollten sie das haben oder so sein? Sie haben so cute PoC Freun­d:in­nen in der Kita!“ – „Greta hat bei ihrem Papa einen schwarzen Stiefbruder!“

Die junge Frau blickt zu Boden und fährt mit dem Fuß über den Sand: „Vielleicht sollten Sie ihren Kindern ein bisschen was über die Welt erklären, scheinbar fühlen sie sich von vielem überfordert und das ist so eine Art Mini-Trauma-Ausfall-Überreaktion.“

„Also mal ehrlich, junge Dame, jetzt woken Sie hier nicht so große Wörter überschüssig rum, die Welt steht den Heranwachsenden noch früh genug bevor, da muss man sie nicht jetzt schon in jeden Schrecken übertrieben reflektiert erklärbärmäßig miteinbeziehen!“

„Wir halten sie vom Bösen fern, so gut und solange wie möglich, bis sie das mentale Werkzeug dafür haben!“ –„Auch deshalb machen sie Kinderyoga mit Atemtraining!“ – „Zweimal die Woche!“ – „Na, dann ist ja alles gut.“

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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