Streit der Woche Maultaschen & Co: Emmely will System ändern

Ist das Arbeitsrecht zu pingelig? Ja, findet die ehemalige Kassiererin „Emmely“, der wegen einer Bagatelle gekündigt wurde.

Die Kassiererin Barbara E. und ihr Anwalt auf einer Pressekonferenz. Bild: dpa

BERLIN taz | Zwei wegen kleiner Vergehen gekündigte Arbeitnehmerinnen wollen nicht aufgeben. "Da stimmt etwas ganz gewaltig nicht in unserem System", schreibt Barbara E. genannt "Emmely" im Streit der Woche der sonntaz. Die Berliner Kassiererin war fristlos entlassen worden, weil sie Pfandbons im Wert von 1,30 Euro gefunden und eingelöst hatte.

Im Juni befasst sich das Bundesarbeitsgericht mit dem Fall der 51-Jährigen. Sie wolle mit dem Verfahren das System ändern, schreibt sie jetzt. Zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer mache die Rechtsprechung gravierende Unterschiede. Bagatelldelikte, die zur Kündigung eines Chefs nicht ausreichten, könnten offenbar sehr wohl zum fristlosen Rausschmiss eines Arbeitnehmers reichen.

Auch die Konstanzer Altenpflegerin, die sechs Maultaschen aus der Verpflegung des Seniorenheims entwendet hat, kämpft weiter. Nächste Woche ficht die 58-Jährige vor dem baden-württembergischen Landesarbeitsgericht ein Urteil an, das ihre Kündigung bestätigt hatte.

Auch der Linkspartei-Politiker Wolfgang Neskovic übt starke Kritik an Bagatellkündigungen. „Sie sind grob unsozial und treffen kleine Arbeitnehmer mit übermäßiger Härte“, schreibt der Rechtsexperte der Linksfraktion im Bundestag in der sonntaz. Arbeitnehmer handelten nicht in krimineller Absicht, sie seien einfach sorglos und unbekümmert. „Damit ist ihr Verhalten zwar nicht entschuldigt. Aber eine Kündigung ist unverhältnismäßig.“ Führungskräfte würden für vergleichbare Fehltritte niemals belangt werden.

Anders sieht das der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP, Johannes Vogel. Die Gesetzeslage sei bereits eindeutig. „Sollte wirklich nur ein geringfügiger Diebstahl vorliegen, verliert der Arbeitgeber den Prozess so gut wie sicher.“ Vogel kritisiert den Gesetzentwurf von SPD und Linken, der eine Abmahnung vorsieht, bevor eine Bagatellkündigung wirksam gemacht werden kann. „Übersehen – bestimmt nicht absichtlich – wurde, dass dies schon Rechtslage ist. Denn das Arbeitsgericht prüft im Einzelfall, ob eine Kündigung wegen Diebstahls verhältnismäßig ist oder nicht.“

Außerdem debattieren im „Streit der Woche“ Erika Ritter, Fachbereichsleiterin für Handel bei der Gewerkschaft ver.di, Horst Probst, der Leiter der „Kaufhausdetektive“ im Bundesverband Deutscher Detektive, Heribert Jöris, Geschäftsführer des Deutschen Handelverbands und taz.de-Leser Martin Wickert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.