Streit über Arbeitslosengeld I: Müntefering gibt sich geschlagen

Nach dem ergebnislosen Krisengespräch mit SPD-Chef Beck hat Vizekanzler Müntefering im ALG-I-Streit seine Niederlage eingeräumt - in seinem Amt will er aber bleiben.

"Hier gab es keinen Kompromiss": Vizekanzler Müntefering Bild: dpa

BERLIN taz/rtr/ap SPD-Chef Kurt Beck und Arbeitsminister Franz Müntefering konnten in einem Krisengespräch keine Einigung im Streit über das Arbeitslosengeld I erzielen. Das gab Beck am Dienstag in Mainz nach einer Unterredung mit Müntefering unter Vermittlung von Fraktionschef Peter Struck bekannt.

Müntefering räumte seine Niederlage ein. "Der Parteivorsitzende und ich haben in diesem Punkt unterschiedliche Meinungen. Hier gab es keinen Kompromiss", sagte der Vizekanzler nach einem Treffen der SPD-Führung in Mainz der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er habe "keinen Zweifel", dass die Partei Beck folgen werde. Müntefering sieht keinen Anlass für einen Rücktritt. "Ich bin gerne Vizekanzler und Minister", sagte er. Er habe für seine Position in dem Konflikt über die verlängerte Zahlung des Arbeitslosengeldes I für Ältere "gute Argumente". Wenn die Union und die SPD diese Position verträten, könne man dies jedoch "nicht einfach ignorieren", meinte der Arbeitsminister.

Auf die Frage, ob er Becks Position im Bundeskabinett vertreten werde, antwortete der Arbeitsminister, dazu werde es am 4. November eine Koalitionsrunde geben. "Wir in der Koalition müssen dann erst mal über ihre Differenzen in der Ausgestaltung verhandeln. Dann wird man zu prüfen haben, welche Anpassungen wir vornehmen."

Beck sieht weite Teile der Partei hinter seinem Plan, die Zahlung von Arbeitslosengeld I für Ältere auf auf 24 Monate zu verlängern. Müntefering lehnt dies als Abkehr von den Reformen der Agenda 2010 ab.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ indes einen Zeitungsbericht zurückweisen, wonach sie der SPD entgegengekommen sei. "Zeitungsberichte über angebliche Zusagen der Bundeskanzlerin an SPD-Chef Beck über finanzielle Spielräume beim Arbeitslosengeld I entbehren jeder Grundlage", sagte ein Regierungssprecher. Er widersprach damit einem Artikel der "Leipziger Volkszeitung". Diese schrieb unter Berufung auf Becks Umgebung, Merkel habe dem SPD-Chef einen Spielraum von knapp einer Milliarde Euro bei der Neuregelung der Zahldauer zugesagt. Beck hatte die Kosten seines Vorschlages auf etwa 800 Millionen Euro beziffert.

Der Regierungssprecher verwies auf Aussagen der Kanzlerin, wonach eine Neuregelung keine Kosten verursachen dürfe. "Jede Veränderung beim Arbeitslosengeld I muss kostenneutral gestaltet werden", bekräftigte der Sprecher. Vorrang habe die weitere Absenkung des Beitragssatzes zur Arbeitlosenversicherung.

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse machte für den Streit in der SPD den Arbeitsminister verantwortlich. "Ich bedaure sehr, dass Franz Müntefering das Problem durch seine öffentlichen Äußerungen so zugespitzt hat", sagte er der "Berliner Zeitung". Er erwarte, dass Müntefering bei dem Spitzentreffen auf Beck zugehe. Die SPD-Führung will vermeiden, dass der Konflikt bis zum Parteitag in Hamburg Ende Oktober offen bleibt und zu einer Konfrontation auf offener Bühne führt.

Zuvor hatte Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder Korrekturen an den von ihm eingeleiteten Arbeitsmarktreformen für richtig befunden. "Die Agenda 2010 sind nicht die Zehn Gebote, und niemand, der daran mitgearbeitet hat, sollte sich als Moses begreifen", sagte der frühere SPD-Chef am Montagabend. Zugleich mahnte er, die Balance zwischen Fördern und Fordern müsse gewahrt bleiben; auch Arbeitslose seien zunächst einmal für sich selbst verantwortlich.

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