Streit um Nationalpark Ostsee: Nicht auf einer Wellenlänge

Der Konsultationsprozess zum Ostsee-Nationalpark ist gescheitert: Der Abschlussbericht beschreibt fehlenden Willen zur Kommunikation.

Ein Surfer auf den Wellen

Geht auch auf der Ostsee gut, wird von Umweltschützern aber nicht allzu gern gesehen: Surfen Foto: Stefan Sauer/dpa

RENDSBURG taz | Erst mit den Betroffenen reden, dann politisch entscheiden – mit einem aufwändigen Verfahren wollte der grüne Umweltminister Tobias Goldschmidt über den schlechten Zustand der Ostsee informieren und für sein Anliegen werben, das Binnenmeer durch den Status als Nationalpark besser zu schützen. Am Ende des Konsultationsprozesses steht ein negatives Fazit: Die meisten Beteiligten der Workshops und Treffen wollten nicht diskutieren, sondern nur ihre Meinung loswerden. Mehr Schutz für das Meer wird es dennoch geben – aber wie der aussehen könnte, ist offen.

„Die deutliche Verweigerung der inhaltlichen Arbeit hat uns erstaunt“, heißt es im Abschlussbericht der Beratungs- und Coachingfirma Eisenschmidt Consulting Crew, die die Workshops im Auftrag des Umwelt- und Energieministeriums organisierte. Bei acht Fachtreffen sowie einem übergreifenden „Verzahnungsworkshop“ entlang der Ostseeküste trafen Fachleute für alle Themen rund um die Ostsee zusammen, darunter Land- und Wasserwirtschaft, Tourismus, Fischerei und Naturschutz. Die Eingeladenen waren sorgfältig ausgewählt: Verbände von Interessensgruppen sowie regionale Organisationen wurden angeschrieben und gebeten, kompetente Mitglieder zu entsenden. Die Fachabteilung des Ministeriums war vertreten, Minister Goldschmidt oder seine Staatssekretärin Katja Günther kamen jeweils dazu.

Am Anfang jedes Workshops stand eine Runde mit Informationen: Es ging um den Zustand des Meeres, um Nationalparks generell und die geplante Gebietskulisse in der Ostsee. Dann diskutierten die Beteiligten offene Fragen und setzten sich mit den möglichen Folgen des Nationalparks auseinander – so war es zumindest vorgesehen. Die Realität sah anders aus: „Unserer Beobachtung nach fand wenig echter Diskurs statt“, heißt es im Abschlussbericht. „In den meisten Fällen schien die Meinung bereits festzustehen.“ Erstaunt habe „die Vehemenz, mit der die Ablehnung des Nationalparks zum Ausdruck gebracht wurde“.

Befragte Schleswig-Holsteiner:innen wollen Nationalpark

Bis auf die Naturschutz-Gruppe lehnten alle anderen Workshops mehrheitlich die Idee ab, einen Teil der Ostsee in einen Nationalpark zu verwandeln und damit Schutzzonen für Fische und Riffe zu definieren. Nur wenige der Beteiligten erkannten Vorteile, etwa für den Tourismus oder die Kommunen.

Das laute Nein der Interessengruppen widerspricht einer Umfrage, die der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor wenigen Tagen veröffentlichte. Demnach halten 54 Prozent der befragten Schleswig-Holsteiner:innen einen Nationalpark für „sinnvoll“. Weniger als ein Drittel, 28 Prozent, sagen dagegen, er sei „nicht sinnvoll“, der Rest ist unentschieden. Dass ein Park den Zustand des Meeres verbessern könne, glauben 55 Prozent. Die größte Zustimmung kam von Grünen-Wähler:innen, aber auch CDU-Anhänger:innen begrüßten mehr Schutz für die Ostsee.

An der Umfrage gab es Kritik, etwa von Jochen Czwalina aus Fehmarn, der die Park-kritische Seite nationalpark-ostsee.de betreibt. Er hält die Fragen für unkorrekt und das Ergebnis damit für nicht verwertbar, weil nicht deutlich sei, dass der Nationalpark im deutschen Teil der Ostsee errichtet werden solle.

Allerdings ergab die Umfrage auch, dass mehr als 70 Prozent der 1.500 Befragten von der Diskussion um einen Park vor Schleswig-Holsteins Küste wussten. Es lässt sich also aus dem Aufbau des Fragebogens durchaus schließen, dass sich die folgenden Fragen auf eben diesen Nationalpark bezogen. Ole Eggers, Geschäftsführer des BUND Schleswig-Holstein, freute sich über das Ergebnis: „Es macht Mut und bestärkt uns darin, weiterhin für einen Nationalpark einzutreten.“

Auf den politischen Prozess haben weder die Umfrage noch der Konsultationsprozess eine Auswirkung. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU und Grüne auf ein zweistufiges Verfahren geeinigt: Den „intensiven Konsultationsprozess“, der jetzt abgeschlossen ist, und die Entscheidung im Kabinett.

Die Grünen wollen den Nationalpark, die CDU nicht

Die Positionen sind dabei eindeutig und durch Parteitagsbeschlüsse bestätigt: Die Grünen sind für einen Nationalpark, die CDU ist dagegen. Gleichzeitig gibt es in den Parteien, aber auch bei Vereinen und Organisationen eine Bereitschaft, den Schutz des stark befahrenen und überfischten Binnengewässers zu verbessern: „Die wissenschaftliche Faktenlage ist klar“, sagt die naturschutzpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, Silke Backsen. „Wir haben kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem beim Meeresschutz.“

Unklar sind nur die Mittel. Eine „Zukunftsallianz Ostsee“ schlug der Unternehmensverband Nord bereits im vergangenen September vor und versprach, sich „personell und finanziell zu beteiligen“. In eine ähnliche Richtung geht ein Antrag mehrerer CDU-Kreisverbände, die beim Parteitag im Oktober ein Sechs-Punkte-Programm vorschlugen. Es setzt darauf, neue freiwillige Vereinbarungen zu treffen, aber auch „bestehendes Ordnungsrecht konsequent anzuwenden“. Landesparteichef und Ministerpräsident Daniel Günther machte deutlich, dass der bisherige Schutz der Ostsee nicht ausreiche: „Es kann keinen Status quo geben.“

Für Umweltminister Tobias Goldschmidt ist das Nationalpark-Projekt ein Kernstück seiner jetzigen Amtszeit. Er nannte den Abschlussbericht einen „wichtigen Baustein“ für die Entscheidung. Alle Hinweise und Informationen würden nun ausgewertet und in einen Vorschlag für einen besseren Ostseeschutz einfließen. Zu diesem besseren Schutz hätten sich alle Beteiligten bekannt, sagte Goldschmidt. Das sei, trotz allem, ein „Hoffnungsschimmer für das kranke Meer vor unserer Haustür“.

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