Strengere Regeln fürs Autofahren: Kartell des Wegsehens

Die EU debattiert über neue Führerscheinregeln. Doch die Politik vermeidet alles, was die Freiheit der Autofahrenden nur minimal einschränken könnte.

Kombinierte Fahrrad- und Fußgängerampel zeigt grün

Grünes Licht? Gibt es verkehrspolitisch meist nur für Autofahrende Foto: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Diese Woche schon wieder: Ein Autofahrer, der zwei Menschen totgefahren hat, erhält dafür zwei Jahre Freiheitsstrafe – auf Bewährung. Es ist ein übliches Urteil: Mensch totgefahren, Bewährungsstrafe. Als hätte je­de:r Au­to­fah­re­r:in einen selbst verschuldeten Unfall mit Todesfolge frei.

Auch vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Abstimmung im EU-Parlament zu möglichen Gesundheitschecks für Menschen mit Führerschein so deprimierend. Denn die Vorschläge, die einigermaßen vielversprechend klingen – Sonderführerscheine für schwere und damit besonders gefährliche Autos wie SUVs, verpflichtende Gesundheitschecks für alle und regelmäßige Überprüfung, ob man noch auf dem aktuellen Stand ist, was Verkehrsregeln und Fahrpraxis angeht –, sind längst vom Tisch oder lagen gar nicht erst drauf.

Es ist ein Kartell des Wegsehens: Vor allem die deutsche Politik vermeidet alles, was nur den Anschein erwecken könnte, die heilige Freiheit der Autofahrenden minimal einzuschränken. Alle sollen so lange, so schlecht und so schnell fahren dürfen wie möglich – und oft eben auch darüber hinaus. Geschwindigkeitsbegrenzungen, breite Radwege auch an Landstraßen, sichere Übergänge für zu Fuß Gehende, Poller oder Bänke, die Durchgangsverkehr aussperren, Straßenabschnitte, die zu Aufenthaltszonen werden – es gibt so viele Vorschläge, die Städte, Orte, Gemeinden lebenswerter machen würden. Vorschläge, die schwächere Ver­kehrs­teil­neh­me­r:in­nen ohne Blech um sich herum, stattdessen vielleicht mit Rollator oder Schulranzen unterwegs, schützen würden. Die zu weniger und vorsichtigerem Autoverkehr führen würden und zu weniger Unfällen. Und die in den Schubladen liegen bleiben, weil die Umsetzung sofort zu Protesten und Klagen führt, vor denen die Politik einknickt.

Die Vision Zero, ein Verkehr ohne tödliche Unfälle? Dass sich das Bundesverkehrsministerium diese offiziell zum Ziel gesetzt hat, ist mit jedem Unfall, mit jedem Bewährungsurteil, mit jeder Blockade besserer Regeln ein Stück mehr zynische Makulatur.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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