TV-Duell Merkel vs. Steinmeier: "Auf keinen Fall provozieren lassen"

Am Sonntag fordert Steinmeier Merkel zum TV-Duell heraus. Wer hat die besseren Karten? Und kann es die Wahl entscheiden? Ein Gespräch mit Kommunikationsforscher Frank Brettschneider.

Schluss mit Lächeln am Kabinettstisch: Sonntag geht's um die Wurst. Bild: dpa

Kann ein TV-Duell die Bundestagswahl entscheiden?

Brettschneider: Nein - dazu müsste einem der Kandidaten schon ein richtiger Blackout passieren. Aber 2005 hat das Duell Merkel-Schröder wesentlich zum Wahlausgang beigetragen: Gerhard Schröder gelang es, mit dem Thema soziale Gerechtigkeit und Angriffen auf "den Professor aus Heidelberg" eine Wende für die SPD einzuleiten.

Und 2009?

Zwei Wochen vor der Wahl sind noch 40 Prozent unentschieden, und beim Duell Steinmeier-Merkel werden 20 Millionen Zuschauer erwartet. Für den bislang nicht so richtig angelaufenen Wahlkampf der CDU scheint erst das der Startschuss zu sein.

Aber anders als 2002 und 2005 stehen sich erstmals nicht Regierung und Opposition, sondern zwei Koalitionspartner gegenüber, die sich nicht massiv attackieren können. Das ist neu, und das wird spannend. Außerdem sind weder Merkel noch Steinmeier mitreißende Debattenredner. Das wird wohl eher ein Duell der leisen Töne. Es wird darauf ankommen, wer die für ihn günstigeren Themen nach vorne bringen kann.

Welche Wähler haben die Kandidaten beim Duell im Blick?

Es geht um zwei Gruppen: Die eigenen Anhänger sollen mobilisiert werden, damit sie in den letzten zwei Wochen Nachbarn, Freunde, Kollegen überzeugen. Die eigenen Anhänger werden am besten mit den Traditionsthemen mobilisiert. Dabei darf man aber nicht zu sehr polarisieren, sonst werden auch die Anhänger des Gegners angestachelt.

Die zweite, noch wichtigere Zielgruppe beim Duell sind die Unentschiedenen. Merkel und Steinmeier können live und ungefiltert Millionen Wahlberechtigte erreichen, die sich nicht groß für Politik interessieren. Sie werden versuchen, den noch Unentschlossenen für die eigenen Themen und Positionen zu gewinnen und Verlässlichkeit, Kompetenz, Sachverstand zu zeigen. Es geht also darum, mit den Inhalten und als Persönlichkeit zu überzeugen.

Wie sind die Chancen verteilt?

Merkel ist im Vorteil. In Krisenzeiten sind Wähler auf Zuverlässigkeit, Bekanntes abonniert, da ist der Wunsch nach Wandel gering. Außer die Regierung wird für die Krise verantwortlich gemacht, wie bei der US-Wahl. Aber das ist in Deutschland nicht der Fall. Merkel kann also auf Abwehr spielen.

Steinmeier ist in Zugzwang, die SPD liegt zurück. Die Regierung kann er nicht angreifen, aber er kann auch nicht ihre Leistungsbilanz für sich beanspruchen. Seine größte Chance liegt darin, die SPD als Garant der sozialen Gerechtigkeit darzustellen. Steinmeier wird nicht müde werden, dies zu betonen. Auch mit der Atompolitik kann er Merkel unter Druck setzen. Obwohl Umweltthemen eher den Grünen nützen als der SPD.

Von einer Debatte über Afghanistan oder Gesundheitspolitik können beide nicht profitieren. Merkel wird die Wirtschaftskompetenz der Union herausstreichen, auf Fragen nach den in im Wahlprogramm angekündigten Steuersenkungen aber vage bleiben und nur Erhöhungen ausschließen. Mit Fragen nach dem Verhältnis von SPD und Linken nach 2009 kann sie Steinmeier unter Druck setzen und die Stabilität einer schwarz-gelben Koalition anpreisen.

Kommt Wischiwaschi besser an als klare Kante?

Für Gemeinplätze bekommen die Kandidaten immer große Zustimmung. Wer sagt, Bildung darf nicht an der Herkunft scheitern, hat alle hinter sich. Die Frage ist dann, wie glaubwürdig man solche Bekenntnisse rüberbringt, zum Beispiel mit persönlichen Erfahrungen unterfüttert. Es gibt Ausnahmen, wo eine klare Aussagen belohnt werden. Zum Beispiel 2005 Merkels Aussage gegen den EU-Beitritt der Türkei. Aber klare Kante muss gut begründet werden.

Welche Fallen müssen die Kandidaten vermeiden?

Es ist sehr anstrengend, sich 90 Minuten lang voll zu konzentrieren. Aber sie dürfen sich auf keinen Fall provozieren lassen. Wer die Fassung verliert oder aggressiv wird, wirkt nicht mehr souverän.

Die zweite Falle sind ausufernde und abstrakte Antworten. Steinmeier muss aufpassen, dass er konkret bleibt und nicht in Diplomatendeutsch abrutscht.

Wie wichtig sind Äußerlichkeiten, Krawatte oder Frisur?

Das wird völlig überschätzt. Auch Sympathie spielt kaum eine Rolle. In der Wahlkabine entscheiden die politische Richtung und die Leadership-Qualität. Sonst hätte Roland Koch in Hessen nie die absolute Mehrheit bekommen.

Ist es wichtig, wer nach dem Duell zum Sieger ausgerufen wird?

Ja, sehr wichtig. Deshalb unternehmen die Parteistrategen alles, die Journalisten zu gewinnen. Expertenrunden, Umfragen, alles fügt sich in den Tagen nach dem Duell zu einem Bild, das auch die Wähler beeinflusst, die das Duell nicht gesehen haben.

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