TV-Duell mit Höcke: Einfach mal das Dilemma zugeben

Nur „keine Bühne den Faschisten“ zu rufen, hilft nicht viel. Denn sie haben eigene Plattformen, auf denen die deutsche Welt pausenlos untergeht.

Frau hält ein Mobiltelefon auf dessen Display auf der Plattform TikTok ein Video der AFD Politikerin Alice Weidel zu sehen ist.

Die AfD hat längst eigene Bühnen: Auf TikTok ist sie sehr präsent Foto: Guido Schiefer/imago

Sie haben das sogenannte Duell zwischen den beiden Thüringern, Mario Voigt (der Spitzenkandidat von der CDU für die Landtagswahl am 1. September) und Björn Höcke (gleiche Rolle für die AfD), natürlich nicht gesehen, und zwar zu Recht, denn es tat wirklich weh. Und wozu haben Sie uns, die JournalistInnen, die sich damit den Donnerstagabend um die Ohren hauen und als einzigen Trost im Social-Media-Kanal die wütenden, verzweifelten, auch lustigen Schmerzensschreie der KollegInnen parallel verfolgen?

Ein Teil der Wut handelt übrigens davon, dass wir uns überhaupt damit befassen. Kann man diese Schaukämpfe, in denen ohnehin entweder alle durcheinander reden, was kaum zu ertragen ist, oder der AfD-Mann seinen verlogenen, völkischen Mist verbreitet, was noch weniger zu ertragen ist – kann man die nicht einfach wegignorieren?

Der Streit darüber, ob die AfD wieder kleiner würde, wenn sie in der demokratischen Öffentlichkeit weniger Aufmerksamkeit bekäme, tobt nun seit Jahren. Nur „keine Bühne den Faschisten“ zu rufen, hilft allerdings nicht viel, denn die AfD hat längst eigene Bühnen: Einen Gutteil ihrer Bedeutung hat sie sich auf ihren parallelweltlichen Plattformen im Netz erschaffen, wo die deutsche Welt pausenlos untergeht und das Echsenwesen Merkel am Untergang der blonden Rasse arbeitet.

Dass eine Partei wie die AfD kritisch ausgeleuchtet gehört, steht dabei ja außer Frage. Wie genau aber lässt sich der Raum bemessen, den vor allem die öffentlich-rechtlichen Medien der Partei zum Selberreden überlassen sollten? Viele MedienwissenschaftlerInnen finden durchaus, dass AfD-VertreterInnen sich in Funk und Fernsehen selbst präsentieren können sollten – natürlich nicht unwidersprochen, aber schon auch in Talkshows oder Interviews.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wie sollen Medien die AfD behandeln?

Bernd Gäbler zum Beispiel, der 2017 und 2018 zwei gute Studien zum Thema für die IG-Metall-nahe Otto-Brenner-Stiftung erstellt hat, meint, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit der AfD halbwegs angemessen umzugehen gelernt habe: „Ich erkenne insgesamt eine größere Souveränität bei ARD und ZDF“, berichtet er.

Natürlich brauche es bei einer Partei, die in einem fort mit Quatsch-Statistiken um sich wirft, Live-Faktenchecks. Aber fast noch wichtiger, als Fake News korrigierend nachzulaufen, sagt Gäbler, sei es, sich mit dem Weltbild des Rechtspopulismus auseinanderzusetzen.

Er ist da offenbar ganz klassischer, also optimistischer Aufklärer: Wenn man ausreichend beschreibt, wie dumm und gefährlich die Kurzschlüsse von Rechtsextremen sind, wird die demokratische Gesellschaft auch die Abwehrkräfte aufbringen, sie nicht an die Macht kommen zu lassen. Womit aber noch nicht beantwortet ist, wie die seriösen Medien nun damit umgehen sollen, dass sie die AfD einerseits nicht mit unnötiger Aufmerksamkeit ausstatten wollen, andererseits aber solch ein Ereignis wie das Voigt-Höcke-Spektakel ein mediales Eigenleben entwickelt, dem sich niemand wirklich entziehen kann.

Vielleicht hilft es ja schon mal zuzugeben, dass es ein Dilemma ist – also nichts, wo man leicht herauskommt. Und dann: Zugeben, dass es immer auch eigene materielle Interessen – Klicks und Reichweite – gibt, sich in die Deutungs- und Empörungsschleifen mit reinzuhängen. Dass die aber nicht maßgeblich sein dürfen. Dass wir das Gespräch über eine funk­tio­nie­rende demokratische Öffentlichkeit nicht abreißen lassen dürfen. Dass dafür jedoch solche PolitikerInnen wie Voigt, die nur auf eigene Vorteile im Wahlkampf setzen, für das Danach, also die Koalitionsfrage, aber keinen Plan haben, keine guten GesprächspartnerInnen sind.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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