Teillegalisierung von Cannabis: Der Joint darf aber nicht kreisen

Mit einem Flashmob kritisieren Kiffer in Friedrichshain „Kuriositäten“ der Teillegalisierung. Vor allem das Verbot der Weitergabe missfällt ihnen.

Eigentlich immer noch illegal: Weitergabe eines Joints beim Smoke-in am Brandenburger Tor Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BERLIN taz | Die neue Zeit ist angebrochen. Alte und junge Kiffer feierten in der Nacht zu Ostermontag die Teillegalisierung von Cannabis. Etwa mit einem „Ankiffen“ am Brandenburger Tor am Ostersonntag um Mitternacht, einer angemeldeten Veranstaltung, zu der um die 1.500 Kiffer kamen. Partystimmung herrschte in der Nacht auch am Eingang zur S-Bahnstation auf der Warschauer Brücke in Friedrichshain bei einem Kiffer-Flashmob.

Seit dem 1. April ist das Kiffen mit einige Einschränkungen, etwa vor Schulen und Spielplätzen, an öffentlichen Orten erlaubt, bis zu 25 Gramm darf man mit sich führen. Auch der Eigenanbau von bis zu drei Hanfpflanzen pro Erwachsenem ist nun legal möglich. Ab dem 1. Juli darf zudem Cannabis über Clubs an ihre Mitglieder abgegeben werden, bis zu 50 Gramm im Monat. Kritik daran gab es Montag erneut von der Brandenburger Landesregierung. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Innenminister Michael Stübgen (CDU) sehen große Belastungen auf Polizei und Justiz zukommen, der CDUler sprach sogar von einem „Kifferchaos“.

Davon war auf der Warschauer Brücke nichts zu merken: Hier steckten sich Mitglieder des Berliner Cannabis-Clubs High Ground und Aktivisten rund um das Hanf Museum um Punkt null Uhr Sonntagnacht ihre vorgedrehten Joints an. Sie wollten aber nicht einfach nur kollektiv demonstrieren, dass das nun endlich in der Öffentlichkeit möglich ist. Sondern auch eine Kritik am neuen Gesetz artikulieren.

Das Verschenken ist verboten

Denn nicht nur aus Sicht der Polizeigewerkschaften ist vieles daran unpraktikabel, auch die Cannabislobby übt Kritik. Etwa an der „Abstandsregelung“: Kiffer dürfen sich nämlich nur dort einen Joint anstecken, wo sich im Radius von 100 Metern keine Jugendeinrichtung, Sporthalle oder Schule befindet. Würde man diese Regel ernst nehmen, gäbe es in Berlin außer auf dem Tempelhofer Feld gar nicht so viele Orte, an denen man einen rauchen kann.

Worauf beim Smoke-In auf der Warschauer Brücke im Besonderen aufmerksam gemacht werden sollte, ist das Verbot der Weitergabe von Cannabis. Weitergabe bedeutet nicht nur Verkauf, sondern bereits das freundschaftliche Verschenken eines Joints ist untersagt. Was besonders bizarr und realitätsfremd ist: Sogar das Kreisen eines Joints in einer sozialen Runde, das Kifferritual schlechthin, darf es eigentlich nicht geben im öffentlichen Raum.

Oliver Waack-Jürgensen, Erster Vorsitzender von High Ground, sagt mit einem Joint in der Hand auf der Warschauer Brücke, er bezweifle zwar, dass das wirklich kontrolliert werden könne. Man wolle aber trotzdem mit der Aktion darauf aufmerksam machen, welche Kuriositäten in dem neuen Gesetz versteckt sind.

Nachdem sich die Cannabis­aktivisten um Schlag Mitternacht also selbst einen Joint angesteckt hatten, begannen sie mit ihrem Happening und ihrer kritischen Intervention mit spielerischen Mitteln. Ein Megajoint wurde angezündet, der nach jedem Zug auf den Boden gelegt wurde, damit ihn sich von dort der oder die Nächste aufheben konnte.

Joints für Passanten

Und es wurden Joints an Passanten verteilt, die sich im Vorbeigehen begeistert zeigten, dass in der Gruppe gekifft wurde. Das ging dann so: Denjenigen, die ihre Freude über das unerwartete Ostergeschenk äußerten, wurde ein bestimmter Satz gesagt: „Ich darf dir kein Cannabis weitergeben, aber ich leg jetzt einfach mal einen Joint hierhin. Was du dann mit dem machst, ist deine Sache.“

So holten die Cannabisaktivisten Joint um Joint aus ihren Taschen und legten sie irgendwohin. Die Rauchwaren wurden damit nicht direkt weitergegeben und fanden trotzdem ihre Empfänger. Das ganze Weed für die Aktion, so Waack-Jürgensen, stammte aus Spenden von Hobbygrowern. Die Polizei, die es eventuell hätte interessieren müssen, ob hier nun Joints gesetzeswidrig weitergereicht wurden, tauchte bei der ganzen Veranstaltung nicht auf.

Abseits des Brandenburger Tors und der Warschauer Straße war es freilich nicht so, dass um Punkt Mitternacht die bekiffte Republik ausgerufen wurde. Die gibt es bloß in den Schauermärchen, denen vor allem die CDU weiterhin anhängt. Rund um das RAW-Gelände schien alles wie immer und so weit man das erkennen konnte, wurden weiterhin vor allem Zigaretten geraucht.

Auch in der Kneipe Fitcher’s Vogel in der Warschauer Straße, die über einen Raucherraum verfügt, war eine Zeitenwende nicht wirklich spürbar. Der Schnuppertest etwa eine Stunde nach dem Ende der Cannabisprohibition ergab: kein besonders hohes Haschaufkommen in diesem Raucherraum. Auch die Tresenkraft der Kneipe meinte, alles sei normal und wie immer. Es sei sogar so, dass hier eindeutig schon des Öfteren mehr gekifft worden sei als in dieser Nacht.

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