Temporäre Spielstraßen in Berlin: Vorfahrt für Bobbycars

Seit vier Jahren sind die temporären Spielstraßen in Berlin ein wichtiger Freiraum für Kinder. Doch das Projekt ist bedroht.

Auf der Straße spielen Kinder und malen mit Kreide. Bälle und Spielzeug liegen auf dem Boden.

Nicht nur die Kinder treffen sich auf der Spielstraße Foto: Bündnis Temporäre Spielstraßen

Die einzigen Autos, die mittwochs am Nachmittag auf der Böckhstraße fahren dürfen, sind Bobbycars. Und das sollte auch so bleiben. Von April bis September ist die Straße in Kreuzberg eine der mittlerweile 24 temporären Spielstraßen, die es in Berlin gibt. Am vergangenen Mittwoch feierte sie ihren einhundertsten Nachmittag als Spielstraße und das gesamte Projekt seinen vierten Geburtstag. Bei den Ber­li­ne­r*in­nen ist das Projekt sehr beliebt. Wenn das Wetter gut ist, trifft sich fast der ganze Kiez auf der Straße. Doch seit der neue Haushaltsentwurf veröffentlicht ist, sieht es düster aus für die Spielstraßen. Weil es zu wenig Geld für ein paar Straßenschilder gibt. Klingt absurd, ist aber so.

Denn die Straßenschilder sind schon fast alles, was es für das Einrichten einer temporären Spielstraße braucht. Ehrenamtliche stellen die Schilder auf und sperren den Straßenbereich mit ein paar Kegeln ab. Au­to­fah­re­r*in­nen wissen dann Bescheid, dass sie hier für ein paar Stunden nichts verloren haben. Nicht nur die jüngeren, sondern auch die älteren Be­woh­ne­r*in­nen des Kiezes holen sich so für einen Nachmittag die Straße zurück. Unterschiedliche Initiativen bringen Laufräder, Kreide und Spielzeug mit. Fertig ist die temporäre Spielstraße für den Nachmittag.

Die Initiativen bekommen eine Aufwandsentschädigung, doch der Hauptkostenpunkt des Projekts ist das Beschaffen und Aufstellen der Straßenschilder. Die Kosten sind deshalb so hoch, weil die Bezirke keine eigenen Verkehrsschilder haben. Für jeden Spielstraßennachmittag muss ein neuer Antrag geschrieben werden. Firmen bringen und holen dann die Schilder. Eine effizientere Lösung würde sicherlich einiges an Geld sparen und die Spielstraßen könnten dann sogar noch günstiger werden.

Bitter nötig sind die Spielstraßen, weil ausgerechnet die Jüngsten in Berlin kaum Raum bekommen, sich sicher und kostenlos auszutoben. Nicht nur Familien, sondern auch Kindergärten und vor allem Kinderläden, die in der Regel keinen Außenbereich haben, sind auf die temporären Spielstraßen angewiesen. Die 1.900 Spielplätze, die es in der Stadt gibt, reichen bei weitem nicht aus. Sie sind zwar Inseln des sicheren Spielens in der Stadt, in der es sonst so wenig Freiräume für Kinder gibt, doch genug ist das nicht.

Genau aus diesem Grund gründete sich 2019 das Bündnis Temporäre Spielstraßen. Die Spielstraßen sind eine Lösung für den Mangel an Spielplätzen in Berlin. Vor allem sind sie eine sehr schnelle und günstige Lösung. Sie sind viel schneller eingerichtet als ein Spielplatz, der erst gebaut werden muss. Ein paar Straßenschilder aufstellen ist außerdem um einiges billiger, als einen kompletten Spielplatz zu bauen. Doch nicht mal dieses Geld will der Senat rausrücken.

Im neuen Haushaltsentwurf für 2024 und 2025 sind pro Jahr nur je 50.000 Euro eingeplant. Benötigt werden allerdings 180.000 Euro pro Jahr, wie Gabi Jung, Sprecherin des Bündnisses für Temporäre Spielstraßen sagt. Auch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bestätigt, dass von diesem Geld mindestens 14 der 24 Spielstraßen nicht mehr finanziert werden können. Noch kann der Senat den Fehler korrigieren. Das zu tun, wäre nur klug, denn so günstig und schnell, wie die Spielstraßen eingerichtet sind, sind neue Spielplätze sicher nicht gebaut.

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