Terroranschlag in Belgien: Warum ausgerechnet Schweden?

Der Attentäter von Brüssel soll gezielt Schweden attackiert haben – aus Rache für Koranverbrennungen und wegen einer Kampagne gegen Sozialbehörden.

Schwedische Fans im Stadion.

Schwedische Fans warten nach dem Anschlag in Brussel darauf das Stadion verlassen zu können Foto: Maarten Straetemans/Bildbyrån/imago

STOCKHOLM taz | Er habe gerade „Schweden getötet“ heißt es in dem Video, das der mutmaßliche Attentäter von Brüssel nach der Tat auf seinem Facebook-Account teilte. Und auch wenn er seit Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Hamas mehrere Beiträge über die Situation in Gaza in den sozialen Medien geteilt hatte, dürfte sich seine Terrorattacke bewusst gegen Schweden gerichtet haben.

Magnus Ranstorp, Terrorforscher an der schwedischen Verteidigungshochschule, teilt diese Einschätzung. Der Täter habe sich offenbar aufgrund ihrer Fankleidung als schwedische Fußballfans identifizierbare Personen als Opfer gesucht. Wegen der immer wieder vorkommenden Koranverbrennungen in Schweden hatte es seitens mehrerer Terrororganisationen konkrete Aufrufe zu Terroranschlägen gegen Schweden gegeben.

Dass die Welle an Koranverbrennungen, die es im Sommer gab, mittlerweile abgeflaut ist und seit September mit dem irakischem Geflüchteten Salwan Momika immer ein und dieselbe Person Korane verbannt hat, scheint keinen Einfluss auf diese Aufrufe zu haben. Auch dass Momika unterstellt wird, er wolle damit nur seine Ausweisung verhindern oder er habe finanzielle Interessen an der Veröffentlichung von Videos seiner Aktionen, scheint unwichtig.

Ranstorp hebt noch ein anderes mögliches Motiv hervor: die LVU-Kampagne. Seit Monaten gibt es in vielen muslimisch geprägten Ländern eine Kampagne, in der schwedischen Sozialbehörden vorgeworfen wird, gezielt muslimische Kinder zu „kidnappen“. Linda Ahlerup, Analytikerin an der Verteidigungshochschule, schätzt gar, dass dieses Thema sich „zur umfassendsten Kampagne gegen Schweden entwickelte, die es bisher gegeben hat“.

Demos, Hungerstreik und Proteste

LVU ist die Abkürzung eines Gesetzes zur Jugendbetreuung, das den Sozialbehörden – mit gerichtlicher Zustimmung – die Möglichkeit einräumt, Jugendliche und Heranwachsende zwangsweise in speziellen Behandlungsheimen oder in Pflegefamilien unterzubringen.

Die Gründe können als mangelhaft eingeschätzte häusliche Bedingungen sein, die ein ernstes Risiko für die Gesundheit oder die weitere Entwicklung des Jugendlichen darstellen, oder eigenes Verhalten der jungen Menschen, wie Kriminalität oder Drogenkonsum.

Ein konkreter Einzelfall wie der einer Familie in Göteborg hatte beispielsweise erst zu Demonstrationen vor dem örtlichen Sozialamt, dann zu einem Hungerstreik, schließlich zu landesweiten Protesten und dann über Interviews mit Bloggern und Medien zu dieser international verbreiteten Behauptung geführt: Der schwedische Staat entführe gezielt muslimische Kinder.

Auch der mutmaßliche Täter soll zu diesem Thema gepostet haben. Im Fall dieser Familie war ein Elternteil psychisch erkrankt und die Sozialbehörde war der Ansicht, dass der andere Elternteil nicht ausreichend für den Schutz seiner Kinder sorgte.

„Was ist das für eine Welt, in der wir leben?“

Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson verurteilte ebenso wie Justizminister Gunnar Strömmer und die sozialdemokratische Oppositionsführerin Magdalena Andersson die Tat. Der Verfassungsschutz SÄPO spricht von einer „ernsten Lage“, sieht aber keinen Grund, die schon im August erhöhte Terrorwarnstufe in Schweden weiter hochzuschrauben.

Dass schwedische Sportfans nun aufgefordert wurden, sich im Ausland besser nicht als solche erkennen zu geben, kommentierte Janne Andersson, Trainer der schwedischen Fußballnationalmannschaft, wie folgt: „Was zum Teufel ist das denn für eine Welt, in der wir leben?“.

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