Tierwohl beim Pferderennsport: Die Pferderente ist nicht sicher

Rennpferde sind nach dem Ende ihrer Karriere billig zu haben. Dabei bedürfen sie einer besonderen Behandlung statt des Metzgers.

Ein Rennpferd in seinem Stall nach dem Rennen

Im schlimmsten Fall landen die alten Rennpferde beim Metzger Foto: Lafabregue/imago

KÖLN taz | Galopppferde leben grundsätzlich gefährlich. Anfang des Monats starben allein im Kentucky Derby in einer Woche sieben Rösser. In Deutschland gibt es zwar keine derart halsbrecherischen Galoppveranstaltungen, doch auch hierzulande passieren immer wieder Unfälle. Die Tierschutzorganisation Peta hat 50 tote Pferde auf deutschen Rennbahnen zwischen 2015 und 2020 dokumentiert, hinzu kommen Trainingsstürze, deren Zahl nicht bekannt ist. Unfälle im Galopp sind jedoch nicht die einzige Gefahr für die Tiere.

Englische Vollblüter, die Windhunde unter den Pferden, werden sehr jung trainiert, müssen teilweise schon im Alter von zwei Jahren Rennen absolvieren, während etwa Dressurpferde frühestens mit fünf Jahren erste Wettkämpfe bestreiten. Galopper verlassen den Sport oft bereits mit fünf oder sechs Jahren – aufgrund von Verletzungen oder nachlassenden Rennleistungen. Diese Tiere haben somit, wenn es gut läuft, noch viele Pferdejahre vor sich. Was wird aus ihnen? Man weiß es nicht genau.

Die Verbände führen ihre Statistiken nur über die Rennkarrieren der Pferde – und gegebenenfalls über den Eintritt in die Zucht. Danach ist Schluss, ein Todesdatum wird meist nicht vermerkt. Wer wissen will, wie es den Rennpferden im späteren Leben ergeht, der kann sich nur umhören, Geschichten und Daten sammeln.

In Deutschland gibt es etwa 2.000 aktive Galopper, ein gutes Drittel, um die 700 Pferde, scheidet schätzungsweise jährlich aus dem Sport aus. Die besten, also schnellsten, wenige Hengste und einige Stuten, gehen in die Zucht. Andere werden in anderen Sportarten eingesetzt, meistens im Vielseitigkeitsreiten, manchmal sehr erfolgreich: Zum Beispiel gewann Andreas Dibowski 2016 in Luhmühlen die Vier-Sterne-Prüfung mit dem umgeschulten Vollblüter It’s me. Die restlichen Tiere, also das Gros der Galopper, wird in der Regel als Freizeitreitpferde verkauft – und hier verlaufen sich ihre Spuren im Sand.

Güstig abzugeben

Rennpferdebesitzer, die für die Unterbringung eines Galoppers bei einem Trainer monatlich etwa 1.500 bis 2.000 Euro ausgeben, versichern meist, dass sie diejenigen Tiere, die keine Rennen mehr laufen, nur in allerbeste Hände abgeben. An Pferdefreunde, die den braven und dankbaren Rössern ein wundervolles neues Leben bereiten.

Solche Geschichten gibt es, doch dass jedes Galopperleben rosig endet, erscheint unwahrscheinlich. Denn nicht immer geraten die Pferde an neue Besitzer, die wissen, worauf sie sich einlassen: auf den Kauf eines Tieres, das physisch und psychisch angeschlagen sein kann, das sachkundig, langsam und mit Geduld in sein neues Leben geführt werden muss.

Der ehemalige Münchner Rennbahn-Tierarzt Maximilian Pick, bekanntester deutscher Kritiker des Galoppsports, erklärt es so: „Pferderennen können nicht nur körperliche, sondern auch seelische Schäden bei Pferden verursachen. Sie sind oft nervös, ängstlich und schreckhaft.“

Das Dilemma: Rennpferde, die man loswerden will, werden häufig zu sehr günstigen Preisen angeboten, manchmal schon für 2.000 Euro, und so werden Schnäppchenjäger angezogen. Der Preis eines gut ausgebildeten Freizeitpferdes beträgt schließlich mindestens 8.000 Euro. Aus Reiterkreisen wird berichtet, dass Galopper beim Verkaufsgespräch manchmal gar sediert präsentiert werden, um potenzielle Käufer nicht abzuschrecken.

Altern in Würde

Zum Glück für die Pferde gibt es einige private Initiativen, die sich um die Karrieren nach den Karrieren kümmern. Eine Pionierin ist in Deutschland die ausgebildete Rennreiterin Nicole Billaudelle aus dem niedersächsischen Langenhagen, die seit 2007 die Seite rennpferde-rente.de betreibt. Als sie begann, habe es wenig Aufklärung zu dem Thema gegeben.

„Heute machen es auch die sozialen Medien möglich, dass viel mehr informiert und aufgeklärt wird“, sagt sie und weist darauf hin, dass Ex-Rennpferde sehr vieles neu lernen müssten. Es fängt bei einfachen Dingen an: Jockeys werden beispielsweise mit Hilfe auf die Tiere gehievt. Stehenbleiben beim Aufsteigen, einen Reiter, der sich am Sattel hochzieht – all das kennen Rennpferde somit nicht.

Auf ihrer Seite sind fast 300 teilweise sehr rührende Berichte über Rennrentner gesammelt. Zum Beispiel die des Wallachs Savarotti, der mit einem Sehnenschaden aus dem Sport kam und nach kundiger Umschulung als Reit- und Kutschpferd eingesetzt wird. Oder die Stute Shire Call, die einst Siege einfuhr, nach der Laufbahn aber verwahrlost auf einer Weide allein gelassen und von einer Pferdefreundin gerettet wurde.

Andere Ex-Galopper haben weniger Glück, werden zunächst von einem überforderten Besitzer an den nächsten verkauft. Und schließlich eingeschläfert. Oder sie enden beim Metzger, denn dann gibt es noch ein paar hundert Euro einzunehmen. In England war vor zwei Jahren in einer investigativen BBC-Reportage die Rede von 4.000 Rennpferden, die zwischen 2019 und 2021 in Großbritannien geschlachtet worden seien. Da es in Deutschland deutlich weniger Galopper gibt, dürfte die Zahl hierzulande viel niedriger sein. Offizielle Daten seitens der Verbände? Auch hier Fehlanzeige.

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