Tod der Journalistin Shireen Abu Akleh: Untersuchung bringt ein Geständnis

Israel räumt ein, eigene Soldaten hätten vor vier Monaten die tödliche Kugel auf die populäre arabische Reporterin Shireen Abu Akleh abgefeuert.

Ein Mural von Shireen Abu Akleh an einer Mauer.

Mural der Journalistin Shireen Abu Akleh an der Trennmauer zwischen Israel und Palästina in Bethlehem Foto: ap

BERLIN taz | Ein „unglücklicher Vorfall“ oder gezielte Tötung? Am Montagnachmittag hat Israel nach einer internen Untersuchung eingeräumt, dass die renommierte US-amerikanisch-palästinensische Journalistin Shireen Abu Akleh „höchstwahrscheinlich“ von der Kugel eines israelischen Soldaten getroffen wurde. Doch zen­trale Fragen um den Vorfall bleiben ungeklärt.

Die bekannte Reporterin des Nachrichtensenders Al Jazeera wurde am 11. Mai erschossen, als sie über eine Razzia des israelischen Militärs in der Stadt Jenin im Westjordanland berichtete. Sie trug zum Zeitpunkt ihres Todes eine Weste mit der Aufschrift „Presse“ und einen Helm. Die Palästinenserin war auch amerikanische Staatsbürgerin.

Unmittelbar nach dem Vorfall beschuldigten sich die palästinensische und israelische Seite gegenseitig, die tödliche Kugel abgeschossen zu haben. Israel ruderte kurz danach zurück. Es bleibe unklar, ob die Journalistin von Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen oder vom israelischem Militär getötet worden sei, betonte Aviv Kohavi, Kopf von Israels Militär im Mai.

Die Tötung von Abu Akleh erregte international großes Aufsehen. Zusätzlich angefacht wurde die Empörung mit Zusammenstößen auf ihrer Beerdigung in Jerusalem. Die Bilder, wie der Sarg der Reporterin beinahe zu Boden fiel, als die israelische Polizei vor dem Ostjerusalemer Krankenhaus mit Schlagstöcken gegen die Sargträger vorging, gingen um die Welt.

Die UN machen schon lange Israel verantwortlich

Kurz nach dem Vorfall wurden Forderungen nach einer unabhängigen Untersuchung und einer strafrechtlichen Verfolgung laut.

Stattdessen nahmen sich verschiedene Jour­na­lis­t:in­nen des US-Fernsehsenders CNN, der New York Times und der Washington Post des Vorfalls an. Auch die UNO untersuchte den Vorfall. Sie kamen unabhängig voneinander zu dem Schluss, dass wohl Israel für die Kugel, die Abu Akleh getötet hat, verantwortlich sei.

Mit der internen Untersuchung gibt Israel nun Teilen dieser Berichte Recht. Allerdings fiel dem israelischen Bericht zufolge der fragliche Schuss, als palästinensische Bewaffnete in der Nähe von Abu Akleh auf ein gepanzertes israelisches Fahrzeug feuerten. Einer der Soldaten habe geglaubt, Abu Akleh gehöre zu den bewaffneten Kämpfern, die auf sie schossen, und habe wahrscheinlich durch ein Zielfernrohr auf sie geschossen.

Die bisherigen Medienrecherchen sowie der Bericht der UNO zeichnen allerdings ein anderes Bild von dem Vorfall. Zwar hat etwa die New York Times in ihrer eigenen Recherche aus dem Juni keine Beweise dafür gefunden, dass Abu Akleh absichtlich erschossen wurde, wie es die palästinensische Autonomiebehörde nahegelegt hatte. Doch die Zeitung erklärte in ihrer Darstellung der Situation, dass sich keine bewaffneten Palästinenser in Abu Aklehs Nähe befunden hätten, als sie erschossen wurde.

Staatsanwaltschaft will keine Ermittlungen aufnehmen

CNN ging noch einen Schritt weiter und sieht Indizien dafür, dass Abu Akleh in einem gezielten Angriff getötet wurde. Der Nachrichtensender verweist auf Videos des Vorfalls, die von Augenzeugenberichten gestützt würden. In ihnen sei zu sehen, dass sich keine militanten Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen in Abu Aklehs Nähe aufgehalten hätten.

Juristische Folgen werden sich aus der israelischen Untersuchung nicht ergeben. Aviv Kochavi, Generalstabschef der israelischen Armee, betonte, der Vorfall habe sich „während einer operativen Tätigkeit zur Vereitelung des palästinensischen Terrors“ ereignet. Die israelische Militärstaatsanwaltschaft erklärte, sie werde keine Ermittlungen gegen die an dem Vorfall beteiligten Soldaten einleiten, da „kein Verdacht auf eine Straftat besteht“.

Washington begrüßte die Veröffentlichung der internen israelischen Untersuchung. Doch Palästinenser:innen, israelische Menschenrechtsorganisationen wie BTselem und die Familie der Journalistin fordern weiterhin eine unabhängige Untersuchung. „Wie erwartet“, so äußerte sich die Familie der Journalistin, „hat Israel sich geweigert, Verantwortung für die Ermordung von Shireen zu übernehmen.“

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