Tote Meereszonen in der Ostsee: Ostsee in Atemnot

Die Ausbreitung sauerstoffarmer „toter Zonen“ in der Ostsee ist auf einem historischem Maximum. Forscher sind alarmiert, viele Arten sind bedroht.

In Warnemünde sieht sie idyllisch aus. Doch das Ökosystem Ostsee ist bedroht. Bild: dpa

STOCKHOLM taz | „Die Situation ist alarmierend und schlimmer als je zuvor“, sagt Bertil Håkansson, Abteilungschef bei der schwedischen Meeres- und Wasserbehörde HAV: „Rund 20 Prozent der Bodenzonen im Zentrum der Ostsee sind sauerstofffrei.“

„Tote Zonen“ nennen die Forscher die Meeresregionen, in denen es fast keinen Sauerstoff gibt. Seit Beginn der regelmäßigen Messungen in den 1960er Jahren war deren Ausbreitung laut einer in dieser Woche veröffentlichten ozeanographischen Studie des schwedischen meteorologischen und hydrologischen Instituts SMHI noch nie so groß.

Geht dem Meer der Sauerstoff aus, betrifft das alle darin lebenden Organismen. Ein Sauerstoffgehalt von acht Millilitern pro Liter Wasser gilt als ideal. Schon bei einem Sauerstoffgehalt von unter 3,5 verschwinden viele Arten, unter 2 sterben am Boden lebende Organismen wie Würmer und Muscheln ab.

Tote Zonen so groß wie Bayern

Etwa ein Fünftel der „Kern-Ostsee“ zwischen den Åland-Inseln und Dänemark, mit 75.000 Quadratkilometern größer als Bayern, liegen jetzt unter der 2 Milliliter-Grenze. Womit gleichzeitig in den letzten fünf Jahrzehnten 30 bis 50 Prozent der tierischen Biomasse in diesen Meeresgebieten verschwunden sind. „Das beeinflusst die Ernährungbalance in der Ostsee und die Ausbreitung marinen Lebens“, sagt Håkansson: „Als erstes werden davon empfindliche Arten wie Dorsch, Wittling und Scholle betroffen.“

Die Überdüngung der Ostsee ist das Hauptübel. Neben den Abgasen des Auto- und Schiffsverkehrs und Einleitungen von Industrien und Kläranlagen ist sie vor allem dem aus der Landwirtschaft und aus großen Tierfarmen gespeisten Nährstoffzufluss geschuldet. Jährlich landen derzeit schätzungsweise immer noch über eine Million Tonnen Stickstoff und 35.000 Tonnen Phosphor in der Ostsee. In dem nährungsreichen Wasser gedeihen Algen und Bakterien. Sterben sie ab, verbrauchen im Zersetzungsprozess Sauerstoff.

Die Stickstoff- und Phosphoreinbringung muss gemindert werden. 2007 hatten sich die Ostseeanrainer im Rahmen der Helsinki-Konvention verpflichtet, die Stickstoffzufuhr um jährlich etwa 100.000 Tonnen zu vermindern. Ein Ziel, das im wesentlichen erreicht wurde – und dennoch ungenügend. Im Oktober soll deshalb in Kopenhagen der Ostsee-„Rettungsplan“ umverhandelt werden.

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