Transparenz in der Wissenschaft: Geheimakte Fusselforschung

Hochschulen kooperieren zunehmend mit der Wirtschaft – über die Bedingungen schweigen sie sich aus. Wie viel Transparenz braucht es?

Hier wird mit der Industrie geforscht: Projekt an der TU Dresden. Bild: dpa

BERLIN taz | Sie ist hartnäckig, immer noch: Die Universität Köln will einen Kooperationsvertrag mit dem Pharmahersteller Bayer partout nicht offenlegen. Ein industriekritisches Bündnis zog dagegen im vergangenen Jahr vor Gericht und scheiterte. Forschungskooperationen an Rhein und Ruhr können Verschlusssache bleiben. Und nicht nur dort.

Zahlreiche Bundesländer haben zwar Informationsfreiheitsgesetze geschaffen, die es Bürgern grundsätzlich erlauben, Einsicht in Akten und Dokumente öffentlicher Stellen zu nehmen. Aber vielerorts ist die Verwaltung dennoch nicht transparent: Auch wo es Informationsfreiheitsgesetze gibt, gelten sie nicht für alle Bereiche. Auf die Ausnahmeregelung für die Forschung verwies auch das Kölner Verwaltungsgericht im vergangenen Dezember. Ob diese Gesetzesauslegung Bestand hat, muss ein Berufungsverfahren erst noch zeigen.

Wie viel Transparenz braucht es, wenn Hochschulen und Wirtschaft kooperieren? Das war auch das Thema einer Veranstaltung, zu der der rheinland-pfälzische Informationsfreiheitsbeauftragte Edgar Wagner vergangene Woche nach Berlin geladen hatte. Für ihn ist dabei klar: auf jeden Fall mehr als jetzt.

Hochschulen werden immer mehr zur verlängerten Werkbank der Wirtschaft. Allein im Jahr 2010 akquirierten Universitäten und Fachhochschulen bei Unternehmen sogenannte Drittmittel in Höhe von 1,27 Milliarden Euro für die Forschung.

Dennoch gaben sich die großen Uni-Tanker zugeknöpft, als die taz sich zum Start des Projekts Hochschulwatch nach den größten privaten Drittmittelgebern erkundigte. „Namen und Daten privater Geldgeber sind vertraulich“, sagte ein Sprecher der Uni Münster. „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir auf die Interessen unserer privaten Mittelgeber im Hinblick auf Vertraulichkeit, den Umfang und den Finanzierungszweck betreffend, keine Aussage machen können“, erklärte die FU Berlin. Und ausgerechnet die Technische Universität München führte die Technik als ihr großes Transparenzhindernis an: „Die drei größten Geldgeber eines Jahres können wir zentral nicht über eine einfache Datenbankabfrage ermitteln.“

Transparenz, mindestens light

Der Informationsfreiheitsbeauftragte Wagner bringt für den Forschungsbereich das Konzept der „limitierten Transparenz“ ins Gespräch: Nicht Inhalte und Ergebnisse ihrer Industriekooperationen sollten Hochschulen der Öffentlichkeit mitteilen müssen, wohl aber die Rahmenbedingungen: Wer forscht hier mit wem zu welcher Frage?

Transparenz, mindestens light: Das hatte auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International gefordert, als sie vergangene Woche ihren dem Bildungswesen gewidmeten Korruptionsbericht 2013 vorlegte. Zumindest die Namen der Geldgeber, die Laufzeit der Projekte, den Förderumfang und die Einflussmöglichkeiten der Sponsoren müssten einsehbar sein.

Davon hätten auch die Hochschulen etwas, meint Krista Sager, scheidende wissenschaftspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. „Transparenz kann Wissenschaftlern bei Verhandlungen mit Kooperationspartnern den Rücken stärken.“ Sie müssten sich dann nicht jeden Unsinn in die Verträge diktieren lassen. Sie fordert: Das Gesetz soll hier Mindeststandards für die Transparenz schaffen, und zwar bundesweit.

Undramatisch, aber heikel

Thomas Weber, der beim Chemieriesen BASF für Hochschulkooperationen zuständig ist, geht dagegen selbst eine limitierte Transparenz zu weit. Bereits durch die Nennung des Kooperationspartners und des Projekttitels entstünde ein Wettbewerbsnachteil für die Unternehmen, meint er. Und malt gleich ein Untergangsszenario für den Standort Deutschland an die Wand: Die Industrie zöge sich aus Hochschulkooperationen zurück, es würde weniger geforscht, weniger erfunden, weniger erwirtschaftet – und damit stünden natürlich Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Ulrich Buller, ehemaliger Vorstand für Forschungsplanung der Fraunhofer-Gesellschaft, hat ein Beispiel dafür parat: Seine Gesellschaft, die öffentlich finanziert wird, aber von Auftragsforschung lebt, sollte ein Papiertaschentuch entwickeln, das in der Waschmaschine nicht zerfusselt. Klingt undramatisch, ist Buller zufolge aber hoch heikel: „Wenn man das veröffentlicht, weiß der Konkurrent sofort: Da passiert was.“ BASF-Mann Weber unterstreicht: „Im Markt ist extreme Schnelligkeit gefordert.“ Da müsse man eben einiges geheim halten.

Weber appelliert an das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Hochschulforschung. Ihn störe der Tenor der Debatte, der „allen Drittmittelgebern verdeckte Einflussnahme“ unterstelle.

So sieht es wohl auch mancher in den Hochschulen, wenn er sich mit kritischen Fragen nach den Geldgebern konfrontiert sieht: Kontrolle ist gut, Vertrauen wäre besser.

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