Türkei-Wahl: Schnurrbärte unter sich

Mit den kurdischen Abgeordneten verdoppelt sich der Frauenanteil im türkischen Parlament - und liegt immer noch unter zehn Prozent.

Natürlich mit Schnurrbart: Erdigan und Atatürk Bild: ap

ISTANBUL taz Monatelang hatten sie sich engagiert. Eine Kampagne mit dem Titel "Muss man Schnurrbart tragen, um ins Parlament zu kommen?" zeigte Bilder von bekannten Frauen, in deren Gesichter Schnurrbärte montiert waren. Manche feministische Gruppen propagierten gar die Einführung einer Frauenquote für das Parlament. Diese Mühen mögen dazu beigetragen haben, dass dem nächsten türkischen Parlament fast doppelt so viele Frauen angehören werden wie dem letzten. Doch auch mit den 47 statt 24 weiblichen Abgeordneten bleibt die Quote bescheiden - zählt das Parlament doch insgesamt 550 Sitze.

Sowohl bei der AKP als auch bei der oppositionellen CHP fiel zudem auf, dass sie eine, gelinde gesagt, merkwürdige Frauenpolitik betreiben. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan heuerte für die Kandidatinnenliste seiner Partei vorzugsweise solche Frauen an, die mit den "normalen" Frauen seiner Partei wenig zu tun haben. Das hat zum einen damit zu tun, dass im Parlament ein Kopftuchverbot herrscht und die traditionalistischen Frauen der Partei gegebenenfalls ihr Kopftuch im Parlament ablegen müssten. Der Hauptgrund aber ist, dass es für eine Imagekorrektur der Partei keinen besseren Weg gibt, als moderne Akademikerinnen in den Reihen zu haben. Solange das nicht mehr als eine Handvoll sind, bleibt ihr tatsächlicher Einfluss ja auch bescheiden.

Auffälliger noch als die modernen Akademikerinnen auf der Liste der AKP war das weitgehende Fehlen von Frauen auf der Liste der CHP überhaupt. Gerade diese Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die Rechte der Frauen gegen eine schleichende Islamisierung zu verteidigen, verzichtete weitgehend auf weibliche Kandidatinnen, obwohl sie mit starken Kandidatinnen ihre Chancen sicher erheblich hätte verbessern können. Dies dürfte weniger einer gezielten politischen Überlegung geschuldet gewesen sein als dem Unvermögen des Parteivorsitzenden Baykal, der seine Listenplätze längst an seine Seilschaft verteilt hatte und im Nachhinein wegen weiblicher Kandidaten nicht mehr umstellen wollte.

So blieb es den Kurden überlassen, als Einzige in ihrer Gruppe eine relevante Frauenquote einzuführen. Unter den 24 Unabhängigen, die für die DTP ins Parlament gekommen sind, befinden sich neun Frauen. Das ist umso bemerkenswerter, als dass die kurdische Gesellschaft in Sachen Gleichberechtigung sicher noch am meisten nachzuholen hat.

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