Türkische Fußballclubs: Kobani ist auch in Berlin

Der Kampf um die Kurdenstadt ist Thema auf den Spielplätzen. Es brodelt, sagt Mehmet Matur, der Integrationsbeauftragte des Fußballverbands.

Kann der Schiri die Konflikte schlichten? Bild: dpa

Mehmet Matur ist besorgt. „Es brodelt“, sagt der Integrationsbeauftragte des Berliner Fußball-Verbandes (BFV), „wir müssen ganz genau aufpassen.“ Matur befürchtet, dass der aktuelle Konflikt zwischen Türken und Kurden, Aleviten und Sunniten in der Türkei, dem Irak und in Syrien ganz schnell die türkischen Fußballvereine in Berlin erreichen kann.

Es gibt bereits deutliche Anzeichen für die Ausweitung der Kampfzone auf die Fußballplätze Berlins. „Kurden, Kurden – PKK“: Diese Schmähgesänge bekommen seit Saisonbeginn die Spieler des Fußballvereins Al-Dersimspor oft zu hören, wenn sie gegen türkische Teams antreten. Der Klub gilt traditionell als ein „Kurden- und Alevitenverein“. Battal Akdag hat ihn vor 21 Jahren mit gegründet. „Vor einigen Jahren wurden wir vom Atatürk-Cup ausgeschlossen und offen als Kurden ausgegrenzt. Seit der Schlacht um Kobani kocht das wieder hoch“, klagt der Vizepräsident des Vereins. Der Atatürk-Cup ist ein mittlerweile eingestellter Wettbewerb von türkischen Teams in Deutschland. „Wir haben keine Angst, sind aber vorsichtig geworden. Vor allem, wenn wir gegen türkisch-nationalistisch geprägte Mannschaften spielen“, sagt Battal Akdag.

Nicht provozieren lassen

Der Vorstand des Landesligisten Al-Dersimspor ermahnt seine Spieler und Fans, sich nicht provozieren zu lassen und bei Beschimpfungen einfach wegzuhören. „Politik kann man machen. Aber nicht auf dem Fußballplatz“, davon war Battal Akdag eigentlich immer fest überzeugt. Der Fußballfunktionär fühlt sich aktuell an die Situation während des Jugoslawienkrieges erinnert. In den neunziger Jahren war ein geordneter Spielbetrieb zwischen bosnisch, serbisch und kroatisch geprägten Teams in Berlin kaum mehr möglich. Die Klubs weigerten sich schlicht, gegeneinander anzutreten.

Gab es dennoch ein Match zwischen den ethnisch oder religiös verfeindeten Mannschaften, kam es fast immer zu Raufereien und Spielabbrüchen. „Wir haben die Befürchtung, dass der aktuelle Konflikt in Syrien, im Irak und in der Türkei bis in die Jugendmannschaften unserer türkischen Vereine dringt. Immer öfter diskutieren die Eltern an der Bande lautstark und aufgeregt die politische Lage“, ist dem Integrationsbeauftragten Matur zu Ohren gekommen.

Das Wort Hetze will bisher kein Berliner Fußballfunktionär in den Mund nehmen. „Wer Politik machen will, der soll ins Café gehen und nicht auf den Fußballplatz. Wir dürfen und werden das im Verein nicht dulden“, erklärt Mehmet Ayik vom Fußballverein Berliner Athletik Klub (BAK) 07. Der 49 Jahre alte Geschäftsführer des Vereins ist gewarnt. „Kobani ist nicht weit weg. Jetzt kann es selbst im Berliner Fußballsport immer wieder zu Konflikten kommen“, befürchtet Ayik. Beim Regionalligisten ist die Mitgliedschaft besonders heterogen. Hier stehen Türken, Kurden, Aleviten, Sunniten, Iraker, Iraner und Syrer oft gemeinsam auf dem Platz. „Wir beobachten das genau und spüren eine gewisse Anspannung im gesamten Verein“, hat Ayik ausgemacht.

Die Trainer von BAK 07 sind angewiesen, mit politisierenden Eltern oder Spielern sofort zu reden, sie zu isolieren und zur Ordnung zu rufen. „Notfalls werden sie ausgeschlossen“, droht Ayik. Der Verein will die Konflikte intern lösen. Derweil werden die BAK-Spieler draußen von den gegnerischen Fans als „Terroristen“ beschimpft. In Berlin spielen rund 30.000 türkische oder türkeistämmige Menschen organisiert Fußball.

Kobani ist überall Thema

„Der Kriegskonflikt rund um Kobani kann auch in einem türkisch geprägten Berliner Fußballverein ganz einfach geschürt werden“, meint Beklan Coskun, der 2. Vorsitzende des Landesligisten Türkiyemspor. „In ganz Berlin ist Kobani doch ein Thema. Samstag gehen die Spieler – je nach politischer Ausrichtung – auf eine Kurden-Demo oder eine Anti-Kurden-Demo. Und am Sonntag sollen sie alle friedlich miteinander Fußball spielen“, sagt Coskun und wundert sich selbst, dass das bis jetzt immer noch irgendwie geht.

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